21. März 2024 Joachim Bischoff: USA will Spitzenposition sichern, Deutschland Standorte aufbauen
Subventionswettlauf um Hightech-Chips
Die US-Regierung will die heimische Halbleiterindustrie mit Subventionen ankurbeln. Präsident Joe Biden kündigte an, den US-Chipriesen Intel mit bis zu 8,5 Mrd. US-Dollar an direkten Finanzmitteln und 11 Mrd. US-Dollar an Darlehen für Chipfabriken in vier US-Bundesstaaten zu fördern.
Die Finanzspritze solle helfen, den US-Anteil an der weltweiten Produktion hochmoderner Halbleiter bis Ende des Jahrzehnts auf 20% zu steigern. Die Subvention wird durch den »Chips and Science Act« ermöglicht, die größte Förderung an Intel. Der Marktführer bekommt fast 20 Mrd. US-Dollar an Zuschüssen und Krediten für vier Chipfabriken.
Obwohl die Vereinigten Staaten die Mikrochips erfunden hätten, stellten sie nur rund 10% der globalen Produktionsmenge und aktuell keine Mikrochips der neuesten Generation her, heißt es. Nach Angaben des Weißen Hauses sind bislang als Folge der staatlichen Subvention private Investitionen von 240 Mrd. US-Dollar mobilisiert worden für die Chip-Produktion in den USA. Biden machte die Ankündigung bei einem Besuch der Intel-Produktionsstätte in Chandler im Bundesstaat Arizona. Bei dem Termin mit Intel-Chef Pat Gelsinger und anderen Mitarbeitern des Konzerns sagte er laut Journalisten: »Sie bringen die Zukunft zurück nach Amerika.«
Arbeitsplätze und Wahlkampf
Ein großer Teil der Subventionen geht in die »Battleground«-Bundesstaaten Arizona und Ohio, in denen mal die Demokraten und mal die Republikaner bei Wahlen die Mehrheiten erringen. Die Investitionen Intels sollen nach Firmenangaben mehr als 10.000 neue Stellen bei Intel selbst und fast 20.000 Arbeitsplätze bei Baufirmen schaffen. Dabei spricht US-Handelsministerin Gina Raimondo von »30.000 gut bezahlten Jobs«. Zudem erwartet Intel, indirekt mehr als 50.000 Jobs bei Zulieferern und unterstützenden Branchen zu schaffen.
Raimondos Aussage deutet darauf hin, dass die Subventionspakte auch Teil des Wahlkampfes in den USA ist. Arizona ist einer der US-Bundesstaaten, die als »Swing States« gelten, in denen der Wahlausgang noch völlig offen ist. Mit den Zusagen neuer gut bezahlter Arbeitsplätze will Biden die Chancen auf eine Wiederwahl verbessern.
Ohio ist ein Sonderfall, weil dort seit einigen Wahlzyklen die Republikaner gewinnen, mit einer Ausnahme: Der linkspopulistische demokratische Senator Sherrod Brown konnte bisher seine republikanischen Widersacher in Schach halten und bewirbt sich um die Wiederwahl im November. Das Weiße Haus erklärte, Intels durch Subventionen flankierte private Investition sei die größte in der Geschichte Ohios.
Der Bau einiger Halbleiter-Produktionsstätten in Amerika hat sich zum Teil deutlich verzögert. Die Hersteller nennen als Gründe Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Fachpersonal, bürokratische Hindernisse und veränderte Finanzierungsbedingungen. Die Finanzierung zielt laut Intel darauf ab, die Halbleiterproduktion sowie die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in den USA zu erhöhen, insbesondere im Bereich der Spitzen-Halbleiter. Intel ist nach eigenen Angaben das einzige amerikanische Unternehmen, das führende Logikchips sowohl entwickelt als auch herstellt. Mit dem Geld will der Konzern wichtige Fertigungs-, Forschungs- und Entwicklungsprojekte an seinen Standorten in Arizona, New Mexico, Ohio und Oregon vorantreiben.
»Der heutige Tag ist ein entscheidender Moment für die USA und Intel, da wir daran arbeiten, das nächste große Kapitel der amerikanischen Halbleiterinnovation aufzuschlagen«, so Intel-CEO Pat Gelsinger. »AI treibt die digitale Revolution voran, und alles Digitale braucht Halbleiter. Die Unterstützung durch den CHIPS Act wird dazu beitragen, dass Intel und die USA an der Spitze der KI-Ära bleiben, während wir eine widerstandsfähige und nachhaltige Halbleiterlieferkette aufbauen, um die Zukunft unseres Landes zu sichern.«
Invstitionen über mehr 100 Mrd. US-Dollar
Über einen Zeitraum von fünf Jahren will Intel mehr als 100 Mrd. US-Dollar in den USA in seine Halbleiterproduktion investieren. Es soll sich hierbei um eine der größten Investitionen handeln, die jemals in die entsprechende amerikanische Fertigung getätigt wurden. Der Konzern habe auch die Möglichkeit, Bundesdarlehen in Höhe von bis zu 11 Mrd. US-Dollar in Anspruch zu nehmen. Intel plant außerdem, die Investitionssteuergutschrift des US-Finanzministeriums aufzugreifen, die voraussichtlich bis zu 25% der geplanten Investitionen betragen wird.
Die Förderung durch die US-Regierung war für Intel unverzichtbar. Vor Kurzem hatte der Konzern die Eröffnung einer 20 Mrd. US-Dollar teuren Chipfabrik im US-Bundesstaat Ohio auf 2026 verschoben – ursprünglich war sie für 2025 geplant. Grund dafür waren u.a. Verzögerungen bei staatlichen Zuschüssen. Mit der neu beschlossenen Förderung hat der Konzern, der derzeit weit hinter dem Konkurrenten Nvidia liegt, wieder mehr Spielraum für solche Investments. Ein Fokus liegt nun auch auf dem Ausbau der Chip-Foundry-Services, die es Kunden wie beispielsweise Microsoft ermöglichen, ihre eigenen Chip-Designs von Intel herstellen zu lassen.
Aktuell werden die hochmodernen Chips etwa für Smartphones hauptsächlich von der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) dort produziert. Analysten befürchten jedoch, dass politische Spannungen mit China die Lieferungen der Halbleiter künftig unterbrechen könnten. Die Folgen für die Wirtschaft wären verheerend.
Eigentlich waren Zusagen der ersten Milliarden aus dem Chips-Act der USA Anfang März erwartet worden, aber die nun geschlossene vorläufige Vereinbarung zwischen Intel und der US-Regierung hat sich bis jetzt verzögert. Der nun gewährte Zuschuss in Höhe von insgesamt 8,5 Mrd. US-Dollar wird laut Weißem Haus in Teilen und abhängig von Intels Erreichung bestimmter Meilensteine überwiesen, berichtet Ars Technica. Die erste Zahlung wird noch im Laufe dieses Jahres erwartet, wenn die bislang lediglich vorläufige Vereinbarung zwischen Intel und dem US-Handelsministerium finalisiert ist.
Zusage auch an TSMC, zugleich Chip-Wettbewerb auch in Europa
Auch der taiwanische Produzent und Weltmarktführer TSMC steht nach Medienberichten kurz vor einer Subventionszusage aus Washington im Umfang von fünf Mrd. US-Dollar für seine bereits im Bau befindlichen zwei Produktionsstätten in Arizona. Der Kongress hat insgesamt einen Subventionstopf von 39 Mrd. US-Dollar für Halbleiterproduktion und weitere 75 Mrd. US-Dollar an Krediten bereitgestellt. Neben Intel und TSMC sind Samsung und Micron im Rennen um die Milliarden-Hilfen.
Auch in Europa sehen wir den Wettbewerb um die Hegemonie in der Chip-Technologie: Intel baut eine neue Giga-Fabrik in Magdeburg. Es ist die größte Firmen-Ansiedlung in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten. Für die Stadt Magdeburg ist das wirtschaftlich ein großer Gewinn, aber auch für die Region. Die Bundesregierung und der US-Chiphersteller unterzeichneten im Juni 2023 einen Fördervertrag über 9,9 Mrd. Euro. An den Förderungen gab es massive Kritik. Intel-Chef Gelsinger verteidigt die Förderung: »Für jeden Euro der Regierung stecken wir zwei Euro rein – ein großes Engagement für den deutschen und europäischen Markt.«
Intel will in Magdeburg Chips mit einer Größe von 1,5 Nanometern bauen. Damit handele es sich um die gegenwärtig modernste Technologie, sagte der Leiter des Studiengangs für Halbleiter- und Nanotechnologie an der Universität Magdeburg, André Strittmatter. Zum Größenvergleich: Zehn Millionen Nanometer entsprechen einem Zentimeter. In der Intel-Fabrik im irischen Leixlip werden aktuell Chips mit einer Größe von vier Nanometer produziert.
Die Größenangabe 1,5 Nanometer besagt die Breite der Transistoren-Reihen auf den großen Platten, aus denen die einzelnen Chips geschnitten werden. Je mehr Transistoren auf die gleiche Fläche passen, desto leistungsstärker und effizienter sind die Chips. Die modernsten Prozessoren der Welt im Drei-Nanometer-Verfahren werden aktuell in Taiwan hergestellt.
Intel-Chef Gelsinger sagte zur Ansiedlung in Magdeburg, dass diese nicht nur die fortschrittlichste Fertigung in Deutschland sein werde, »es wird auch die fortschrittlichste Fertigung der Welt sein«. Je kleiner die Chips sind, umso schneller lassen sich Berechnungen durchführen. Die Vorbereitungen für den ersten Spatenstich in diesem Jahr laufen. Chips sollen frühestens ab 2027 produziert werden.
Nach Intel in Magdeburg kommt auch TSMC nach Ostdeutschland. Obwohl der Entscheid den Standort Deutschland stärkt, ertönt aus der Politik bereits Kritik. Nicht einmal zwei Monate liegen zwischen den beiden milliardenschweren Investments aus der Halbleiterindustrie: Nachdem die deutsche Regierung Intel im Juni mit Subventionen in Höhe von 10 Mrd. Euro nach Magdeburg gelockt hat, wird auch der größte Halbleiterproduzent der Welt aus Taiwan in Zukunft in Dresden eine Fabrik betreiben. Die Investition wurde ihm in Höhe von mehr als 10 Mrd. Euro mit Staatsgeld versüßt: fünf Mrd. Euro sollen laut »Handelsblatt« die deutschen Steuerzahler*innen beitragen.
Der taiwanische Chipgigant teilte mit, dass er sich für die Hauptstadt des ostdeutschen Bundeslandes Sachsen entschieden habe. Dort sollen laut eigenen Angaben 2.000 Arbeitsplätze entstehen, der Bau soll in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 beginnen, die Produktion Ende 2027 starten.
Das Werk wird TSMC gemeinsam mit Bosch, Infineon und dem niederländischen Halbleiterhersteller NXP betreiben und in Dresden vor allem Chips für die Automobilindustrie herstellen. Das taiwanische Unternehmen wird die Fabrik betreiben und einen Anteil in Höhe von 70% an dem Werk halten. Der Entscheid und die Subventionszusage hat neben einer industriepolitischen auch eine geopolitische Dimension: Mit der Halbleiterproduktion hierzulande will Deutschland unabhängiger werden, falls China den demokratischen Inselstaat Taiwan angreift.
In Dresden werden erstmal nicht die modernsten Chips entstehen
Elektroautos, 5G-Handys, Internet der Dinge und künstliche Intelligenz sind auf eine stetig steigende Menge von immer leistungsfähigeren Chips angewiesen. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte Halbleiter wegen ihrer zentralen Rolle in der Weltwirtschaft daher schon »das Erdöl des 21. Jahrhunderts«. Etwa 60% der weltweit verfügbaren Chips werden derzeit vo TSMC hergestellt.
Doch nicht nur quantitativ steht der taiwanische Konzern an der Weltspitze, TSMC produziert auch die kleinsten und leistungsfähigsten Chips der Welt. In Dresden sollen allerdings zunächst die größeren, älteren Chips für die Autoindustrie hergestellt werden. Aus Regierungskreisen verlautet, dass TSMC bereits eine Weiterentwicklung der Dresdner Fabrik in Aussicht gestellt habe, um dort auch kleinere Chips zu produzieren.
Trotzdem sieht die deutsche Autoindustrie durch das geplante Werk von TSMC in Dresden nur überschaubaren Nutzen für die eigene Branche. Der direkte Effekt des Werks werde nur begrenzt sein, sagte ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie. Zum Großteil benötige die Autoindustrie andere Chips als die, auf die die geplante Fabrik angelegt sei. Um in diesem Bereich unabhängiger zu werden, seien weitere Maßnahmen notwendig.
Während der Corona-Pandemie wurde deutlich, wie fragil die Lieferketten der Halbleiterindustrie sind. Die gesamte Branche hängt von einer guten Handvoll Ländern ab, die besonders im Bereich der Technologie zunehmend offener miteinander konkurrieren – und sich teilweise mit Exportrestriktionen duellieren. Der Fabrikbau von TSMC gilt daher auch der geopolitischen Absicherung für den Standort Deutschland.
Da Intel nach Magdeburg und TSMC nach Dresden kommen werden, könnte Ostdeutschland endgültig zum Hightech-Standort der Chipindustrie werden. Gerade in Sachsen konnte durch die gut ausgebildeten Spezialist*innen aus DDR-Zeiten, die führenden technischen Universitäten und stetigen Subventionen ein Mikrochip-Cluster entstehen, das heute unter dem Namen »Silicon Saxony» firmiert.
Die deutsche Industrie begrüßt die vorgesehenen Investitionen, sie seien entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts für die nächsten Jahrzehnte, sagt die Halbleiter-Expertin Sophia Helmrich vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). »Derzeit hat Deutschland einen Anteil von 8–9% an der internationalen Halbleiterproduktion, diesen gilt es zu halten.«
Union und FDP kritisieren Subventionswettlauf
Die Nachricht von den Investitionen zu den Chipfabriken in Magdeburg und Dresden wird auch in Brüssel auf Wohlgefallen stoßen. Die EU-Kommission hat im Februar 2022 das EU-Chipgesetz (European Chips Act) angekündigt, in dessen Rahmen sie 43 Mrd. Euro an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren wollte, um den europäischen Anteil an der globalen Halbleiterproduktion bis 2030 auf 20% zu verdoppeln. Dafür hat sie auch ihre strengen Subventionsregeln aufgeweicht. Das European Chips Act ist eine Antwort auf ähnliche milliardenschwere Subventionsprogramme in den USA, China und Südkorea.
Sobald TSMC und die deutsche Regierung eine Absichtserklärung für Dresden unterschrieben haben, muss noch die Kommission zustimmen. Die Halbleiterproduktion verschlingt enorme Fix- und Energiekosten, weshalb eine Ansiedlung in Europa lange als unattraktiv galt. Offenbar kann nur Staatsgeld die Hightech-Produzenten nach Deutschland locken. Dass das nachhaltig ist, bezweifeln allerdings deutsche Politiker.
So stoßen die zunehmenden staatlichen Zuwendungen auf Kritik. »Die erneute Milliardensubvention ist leider auch ein Zeichen dafür, dass der Standort Deutschland nicht mehr attraktiv genug ist, um ohne diese Finanzspritzen zu investieren«, sagt Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag. Auch Reinhard Houben, der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, mahnt nach den insgesamt 15 Mrd. Euro Subventionen für Chiphersteller: »Dieses Vorgehen darf nicht zu einem Muster für die deutsche Industriepolitik werden.«
Grundsätzlich befürwortet Houben zwar die Ansiedlung von TSMC und Intel. Doch sollten die Unternehmen nicht »aufgrund von hohen Förderungen durch den Bund« nach Deutschland kommen, »sondern wegen der guten Standortfaktoren hierzulande«. Dies ist angesichts des weltweiten Förderwettbewerbs eine träumerische Einstellung.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht das anders. Er sagte zur Investition von TSMC: »Deutschland ist ein attraktiver und wettbewerbsfähiger Standort, gerade auch bei Schlüsseltechnologien wie der Mikroelektronik.« Das bedeute aber nicht, dass die Regierung in ihren Bemühungen nachlassen dürfe. »Wir arbeiten daran, die Rahmenbedingungen für solche Großinvestitionen weiter zu verbessern, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Bürokratie abzubauen.«