7. März 2019 Otto König/Richard Detje: ver.di Tarifabschluss für die Bundesländer

Tariferfolg! Verteilt über fast drei Jahre ...

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»Das beste Ergebnis im Länderbereich für einen Lohnabschluss seit vielen Jahren«, kommentierte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske den Tarifabschluss für den Öffentlichen Dienst der Bundesländer. Mehr noch: »spektakulär« sei es, wenn künftig eine Kollegin im Pflegereich »mit einer dreijährigen Ausbildung 380 Euro auf einen Schlag im Monat mehr erhält«.

ver.di, die GEW und der Beamtenbund (dbb) hatten unter anderem 6% mehr Geld, mindestens aber 200 Euro gefordert – berechnet auf eine Laufzeit von einem Jahr. Nach einer eindrucksvollen Warnstreikwelle quer durch die Berufsfelder der Landesbeschäftigten[1] einigten sich die Gewerkschaften mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) auf ein kräftiges Lohnplus für rund eine Million Beschäftigte in den 15 Bundesländern (außer Hessen).[2] Die dreistufigen prozentualen Erhöhungen addiert lautet das Ergebnis: 7,8% mehr Geld, mindestens aber 240 Euro, verteilt über 33 Monate bis zum 30. September 2021.

Das Ergebnis im Detail: Rückwirkend zum 1. Januar 2019 wird es eine Lohnerhöhung von 3,2% oder mindestens 100 Euro geben, zum 1. Januar 2020 weitere 3,2% mit mindestens 90 Euro und zum 1. Januar 2021 noch einmal 1,4% bei einem Mindestbetrag von 50 Euro. Von der Mindesterhöhung profitieren vor allem Geringqualifizierte, für die der Lohn- und Gehaltszuwachs bis zu 13,4% ausmachen kann.

Darüber hinaus wurde vereinbart, dass in allen 15 Entgeltgruppen im Landesdienst die Einstiegsgehälter in den Eingangsstufen für Neueinsteiger aufgewertet werden. Diese Aufwertung beträgt im Volumen rund 11% und erfolgt in zwei Schritten zum 1. Januar 2020 sowie zum 1. Oktober 2020. Der Einstiegslohn für ungelernte Hilfsarbeiter erhöht sich damit von 1797 Euro auf 2037 Euro im Jahr 2021, was entsprechende Tätigkeit im Öffentlichen Dienst aufwertet.

Der Abschluss sieht ferner weitergehende Erhöhungen für Pflegekräfte vor: Mit dem Umstieg auf eine neue Tariftabelle erhalten diese einen zusätzlichen Aufschlag von 120 Euro je Monat. Eine examinierte Krankenschwester werde in der dritten Stufe zwischen 420 Euro und 750 Euro mehr verdienen als heute, erläuterte Bsirske. Für Berufsanfänger*innen gebe es schon in diesem Jahr rund 300 Euro mehr. Ähnlich kräftige Erhöhungen gibt es auch für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder, sie arbeiten ab dem 1. Januar 2020 zu den gleichen Gehaltsbedingungen wie ihre Kolleg*innen im Bund und in den Kommunen.

Zum Tarifpaket gehören auch die Erhöhung der Ausbildungs- und Praktikantenvergütungen, die in zwei Schritten um jeweils 50 Euro Anfang 2019 und Anfang 2020 angehoben werden. Wie beim Abschluss mit der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) erhalten die Azubis einen zusätzlichen Urlaubstag und haben nun insgesamt 30 Urlaubstage.

Während Frank Bsirske[3] den Tarifkompromiss ausgesprochen positiv bewertete, charakterisierte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe den Abschluss als »ordentliches Ergebnis« und der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach als »sprichwörtlichen ehrlichen Kompromiss«, der auch »schmerzhafte Zugeständnisse« bei der Vertragslaufzeit und beim Verzicht auf Strukturverbesserungen für bestimmte Berufsgruppen beinhaltet.

Abstriche mussten die Gewerkschaften bei der Entgeltordnung hinnehmen. Nicht für alle Berufsgruppen konnten Besserstellungen durchgesetzt werden, wie es die Gewerkschaften verlangt hatten. So ist eine ähnlich starke Aufwertung etwa von IT-Berufen nicht zustande gekommen, obwohl gerade auf dem Weg zu einer modernen digitalen Verwaltung dort Nachholbedarf besteht. Dies scheiterte daran, dass sich die Tarifparteien nicht auf eine Gesamtreform der Entgeltordnung einigen konnten – jenes Rahmenwerk, das die Zuordnung jeder einzelnen Tätigkeit zu den Lohngruppen der allgemeinen Tariftabelle regelt.

Auch bei den Lehrer*innen mussten Abstriche hingenommen werden. Die GEW hatte in dieser Tarifrunde erneut die zügige Einführung einer »Paralleltabelle« gefordert – das ist eine verbesserte (»parallele«) Zuordnung von Entgeltgruppen zu den Besoldungsgruppen, nach denen die Beamtinnen und Beamten bezahlt werden. Zwischen den Monatseinkommen der angestellten und verbeamteten Lehrer*innen klafft ein Delta von rund 300 Euro. Um dieses zu verringern erhielten die 50.000 angestellten Lehrkräfte bislang eine »Angleichungszulage« in Höhe von 30 Euro, die nun rückwirkend zum 1. Januar 2019 um 75 Euro auf 105 Euro erhöht wird. Mit einer Protokollerklärung zur Tarifeinigung hat die GEW sichergestellt, dass nach Abschluss der Tarifrunde zügig die Tarifverhandlungen über die Weiterentwicklung der Lehrkräfte-Entgeltordnung wieder aufgenommen werden.

Erkauft wurde der Tariferfolg mit einer sehr langen Laufzeit von 33 Monaten. Sie geht noch einmal drei Monate über die für die Kommunen und den Bund vereinbarte Laufzeit hinaus – und nahezu ein Jahr über die in der Metall- und Elektroindustrie vereinbarte Regelung. Das war offenkundig der Preis, der für die Anhebungen in diesem und kommenden Jahr bezahlt werden musste. Ab Januar 2021 schrumpft das Lohnplus auf 1,4%, was voraussichtlich von der Inflation aufgezehrt werden wird, sodass es dann unter dem Strich zu Reallohnverlusten kommen kann. Auch organisationspolitisch sind derart lange Laufzeiten ein Problem. Aufgrund der Friedenspflicht entfällt gerade die für ver.di so wichtige tarifpolitische Mobilisierung zur Gewinnung neuer Mitglieder.

Das Volumen des Tarifvertrages kann jedoch dazu beitragen, den Abstand zur Entlohnung in der Privatwirtschaft geringfügig zu verringern.

Zum einen haben die Warnstreikwellen bei den öffentlichen Arbeitgebern Wirkung gezeigt, zum anderen haben sie sich ihre Zustimmung mit dem »Zeitfaktor« erkauft.  So sprach der Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite und Berliner Finanzsenator, Matthias Kollatz (SPD), davon, dass sie nun eine fast dreijährige Planungssicherheit für ihre Landeshaushalte hätten. Die Mehrkosten, die durch den Tarifanschluss entstehen, bezifferte er für die Tarifbeschäftigten auf insgesamt 7,3 Milliarden Euro bezogen auf die gesamte Laufzeit. Womöglich hätte eine kurze Laufzeit für die Länder sehr schwierige Verhandlungen im nächsten Jahr nach sich gezogen, zumal dann die Schuldenbremse für die Landesregierungen verbindlich in Kraft tritt. Die nächste Tarifrunde der Länder dürfte damit parallel zu den Bundestagswahlen im Herbst 2021 stattfinden.

Das Tarifpaket gilt zunächst für die eine Million Tarifbeschäftigte der Länder. Die Gewerkschaften verlangen, den Abschluss eins zu eins auf die 2,3 Millionen Beamte und Pensionäre zu übertragen. Da deren Besoldung per Gesetz geregelt wird, entscheidet dies jedes Land für sich. Zahlreiche Länder haben bereits erklärt, eine entsprechende Übertragung vorzunehmen. Dadurch steigen die Kosten um weitere 15 Milliarden Euro.

Zwischenbilanz: Der Tarifabschluss für die Länder stellt Gleichlauf mit den Beschäftigten bei den Kommunen und beim Bund her, ebenso zu der Tarifentwicklung in den anderen Wirtschaftsbereichen. Dort waren die Löhne im vergangenen Jahr im Durchschnitt (lt. Statistischem Bundesamt) um 2,9% gestiegen. Bei einem Anstieg der Verbraucherpreise um 1,8% ergab sich 2018 ein Reallohnplus von gut einem Prozentpunkt. Damit haben sich die Tarifentgelte seit 2010 im Schnitt um gut 12% erhöht. Die Verluste im vorangegangenen Jahrzehnt konnten damit mehr als ausgeglichen werden.

Wie geht es weiter? Nach ausführlicher Beratung hat die ver.di-Bundestarifkommission für den Öffentlichen Dienst beschlossen, die Annahme des Verhandlungsergebnisses durch eine Mitgliederbefragung zu empfehlen. Damit bekommen die betroffenen ver.di- Mitglieder in den kommenden Wochen die Möglichkeit, das Tarifergebnis, das sie durch ihre massiven Warnstreiks erzielt haben, zu beurteilen und mit einem entsprechenden Votum zu versehen.

[1] Allein in der letzten Streikwelle demonstrierten in Berlin weit mehr als 10.000 Landesbeschäftigte, vor allem Erzieher*innen, Lehrer*innen, Angestellte der Hochschulen, Jugendämter und anderer Behörden. Ebenso viele gingen in Düsseldorf auf die Straße. In Baden-Württemberg waren u.a. die Psychiatrien Zentrum des Streiks, in Rheinland-Pfalz streikten Beschäftigte der Universitäten und Landeskrankenhäuser, im Saarland die Uniklinik, Landesverwaltung und Landesbetriebe, in Sachsen-Anhalt Berufsschulen, Bibliotheken und Straßenbaubehörden.
[2] Hessen gehört seit dem Jahr 2004 nicht mehr der Tarifgemeinschaft deutscher Länder an. Der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wollte die Arbeitszeit der Angestellten des Landes kräftig erhöhen und konnte sich damit bei den Gewerkschaften, aber auch bei seinen Ministerpräsidentenkollegen nicht durchsetzen. In der Konsequenz kündigte er die Gemeinschaft. Die Verhandlungen für Hessen werden am 28. März in Dietzenbach fortgesetzt, wobei zu erwarten ist, dass der jetzt erzielte Tarifabschluss übernommen wird.
[3] Mit dem Potsdamer Abschluss hat Frank Bsirske seine letzte große Tarifauseinandersetzung in seiner Amtszeit als ver.di-Vorsitzender erfolgreich hinter sich gebracht. Nach dem Gewerkschaftstag im Herbst geht er in Rente.

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