29. Mai 2024 Redaktion Sozialismus.de: Zu den Ergebnissen der Kommunalwahl
Thüringen rückt nach rechts
Bei den Kommunalwahlen in Thüringen – mit der höchsten Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen seit 30 Jahren – hätte die AfD ohne die Skandale der letzten Monate wohl noch besser abgeschnitten. Aber auch so ist es ihr gelungen, auf Augenhöhe mit der CDU zu gelangen. Verlierer sind alle drei Ampelparteien und Die Linke.
Kreistage und Stadträte, die Basis der Kommunalpolitik, Regionen abseits der großen Städte sind traditionell Bastionen der CDU, die ihre Stärke verteidigen konnte. Sie liegt landesweit insgesamt vorn. CDU-Chef Mario Voigt sieht das als Rückenwind für die Landtagswahl. Also Aufatmen für die CDU: Sie ist bei den Kommunalwahlen in Thüringen die stärkste Kraft geworden.
Die AfD belegt den zweiten Platz, fuhr jedoch ein schwächeres Ergebnis ein als erwartet. Die »blaue Welle«, die sich die AfD selbst prophezeit hatte, war nicht ganz so groß wie von ihr erhofft. Einen Sieg in der ersten Runde konnte die Partei nur mit einem Bewerber im Altenburger Land feiern. Die CDU lag hier im Gesamtergebnis erneut klar vorn und verteidigte schon in der ersten Runde ihre Oberbürgermeister in Suhl, Altenburg und Weimar.
Aber auch die AfD hat auf dem Land stark zugelegt. In vielen Orten und Gemeinden ist sie längst verankert und konnte ihre Erfolge weiter ausbauen. In vielen Kreistagen ist sie gar stärkste Kraft geworden und kann nun gewichtig mitbestimmen. Der AfD-Landtagsabgeordneten René Aust spricht deswegen von »großartigen Erfolgen in einer schwierigen Zeit«.
Der Thüringer AfD-Landessprecher Stefan Möller erklärte hingegen, er sei »nicht zufrieden mit dem Wahlausgang« und dass die AfD damit klarkommen müsse, »vor der Wahl kein optimales Bild abgegeben« zu haben. Im Vorfeld der Kommunalwahlen war die AfD sowohl auf kommunaler als auch auf EU-Ebene in die Negativ-Schlagzeilen geraten.
Einen Tag nach den Kommunalwahlen hat der Alterspräsident des Thüringer Landtags, Karlheinz Frosch, die Konsequenzen aus einem monatelangen Streit im AfD-Gebietsverband Saalfeld-Rudolstadt gezogen und Partei sowie die Landtagsfraktion der AfD verlassen.
Zu den Gewinnern sind vor allem auch Bürgerbündnisse und Parteilose zu rechnen. Letztere stellen vielerorts einen Bürgermeister. Die Flucht zu den parteilosen Kandidat*innen macht deutlich, dass viele Wähler*innen bereit sind, auch einmal andere Parteien zu wählen. Und damit stellt sich die Frage, welche Partei bei den Landtagswahlen am 1. September dieses Potenzial für sich erschließen kann.
Für Die Linke, die Grünen und die Sozialdemokraten waren die Wahlen eine Niederlage. Zwar setzte sich in einzelnen Ämtern der SPD-Kandidat durch, insgesamt fuhren die Kandidaten dieser Parteien aber zum Teil deutlich Verluste ein, auch wenn die aus Thüringen stammende Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt die Wahlergebnisse als »kleinen Hoffnungsschimmer« bezeichnete – bei landesweit minus 3,4% nicht wirklich überzeugend.
Zugleich wies sie darauf hin, die Zugewinne der AfD werde jedoch in vielen Kommunen die Bildung konstruktiver Mehrheiten erschweren. Und dass in Hildburghausen mit Tommy Frenck ein Neonazi in die Landrats-Stichwahl kam, zeige zudem, wie die Demokratie durch ihre Feinde gefährdet sei. Dennoch biete die Gesellschaft mit den Wahlergebnissen derzeit den Demokratiefeinden die Stirn.
Ähnlich argumentiert die Landesvorsitzende der Partei Die Linke, Ulrike Grosse-Röthig, die erleichtert ist – so die Partei unter der Überschrift »Der Osten ist nicht blau geworden« auf ihrer Website – »dass der braune Griff nach der Macht im ersten Wahlgang offenbar verhindert worden ist und demokratische Kandidat*innen vorne liegen. Mit Sorge schaut die Politikerin allerdings auf das Verhalten der Thüringer CDU-Führung.« Über die eigenen Verluste in Höhe von 4,9% wird in der Stellungnahme nicht gesprochen, stattdessen der Hoffnung Ausdruck verliehen, »dass Bodo Ramelow als Ministerpräsident am 1. September Stabilität für Thüringen garantiert«.
In zwei Wochen stehen Stichwahlen auf der Tagesordnung: In den meisten Fällen gibt es Entscheidungen entweder zwischen AfD und CDU oder zwischen AfD und SPD. Da die Stimmabgabe parallel zur Europawahl erfolgt, wird die Wahlbeteiligung vermutlich noch höher sein. Davon dürften erfahrungsgemäß die etablierten Parteien profitieren.