5. April 2020 Redaktion Sozialismus: Der Einbruch des Ölpreises

Trump als Dealmaker auf dem Öl-Markt?

Tiefpumpen auf dem Lost-Hills-Ölfeld in Kalifornien (Foto: Arne Hückelheim; CC BY-SA 3.0)

Die Internationale Energie-Agentur (IEA) erwartet für das laufende Jahr erstmals seit 2009 eine auf Jahressicht sinkende globale Ölnachfrage. Die IEA konstatiert eine in der Geschichte der Ölmärkte einzigartige Situation.

In ihrem Marktausblick begründen die Expert*innen der Organisation ihre Prognose mit der wegen des Virus eingebrochenen Nachfrage in China, mit »größeren Verwerfungen« im Welthandel sowie das zurückgehende Reiseaufkommen.

Die globale Ölindustrie befindet sich in einer schweren Krise. Wegen der Corona-Pandemie ist die weltweite Nachfrage um knapp 20% auf rund 80 Mio. Barrel pro Tag eingebrochen. Die Rohstoffhändler erwarten für April sogar eine weitere Reduktion um mehr als 30 Mio. Barrel pro Tag. Wegen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie wie etwa der Ausgangsbeschränkungen, war die US-Benzinnachfrage zuletzt auf 6,7 Mio. Barrel pro Tag gefallen, das ist das niedrigste Niveau seit Januar 1994.

Hoffnung, dass sich die Wirtschaft bald belebt und damit auch die Nachfrage nach dem Energieträger, gibt es nicht, insbesondere mit Blick auf die USA. So haben sich die Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe in der vergangenen Woche von 3,3 Mio. auf 6,6 Mio. verdoppelt. Damit haben innerhalb von lediglich zwei Wochen 10 Mio. Amerikaner*innen einen Erstantrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt.[1] Es ist davon auszugehen, dass die USA – wie die anderen kapitalistischen Hauptländer – in den nächsten Monaten in einer schwere Rezession geraten.[2]

Gleichzeitig ist unter den Öl-Produzenten die Preis- und Produktionsregulierung zusammengebrochen. Saudi-Arabien erhöhte nach dem Scheitern einer neuen Absprache seine Erdölförderung von 9,7 Mio. Barrel pro Tag im März auf mehr als 12 Mrd. Barrel seit Anfang April, um Russland unter Druck zu setzen. Der Einbruch der weltweiten Nachfrage bei einem gleichzeitigen kräftigen Anstieg des Angebots aus Saudi-Arabien hat für den Kollaps des Ölpreises gesorgt.

Der Ölpreis der letzten Monate (US-Dollar pro Fass Rohöl der Sorte Brent)

Der doppelte Druck von fallender Nachfrage und gleichzeitig steigender Produktion sorgte für einen gewaltigen Abwärtssog. Aktuell notiert die Öl-Sorte Brent mit wenig mehr als 20 US-Dollar auf einem Niveau, das letztmals in den 1980er und 1990er Jahren zu beobachten war.

Wesentlicher Faktor ist der Preiskrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien. Sie drosseln angesichts der konjunkturellen Abschwächung nicht etwa die Produktion, sondern erhöhen sie sogar noch. Aber auch die Vereinigten Staaten pumpen so viel Erdöl aus dem Boden wie noch nie. Die Tagesproduktion hat jüngst die Marke von 13 Mio. Fass überschritten.

Die Vereinigten Staaten haben ihre Ölproduktion in den vergangenen Jahren kräftig ausgebaut, von rund sechs Mio. Fass am Tag auf glatt das Doppelte. Für Trump ist der Aufstieg der USA zur führenden Exportnation und das zu einem stabilen Preisniveau ein wichtiger politischer Faktor. Er hat die Aufgabe der Preis- und Produktionsabsprachen de facto den Ländern des Ölkartells überlassen. »Die USA waren immer der lachende Dritte«, so ein Ölexperte. Andere Länder kürzten ihre Förderung und trieben damit den Ölpreis, die US-Förderer bekamen einen stabilisierten Ölpreis frei Haus.

Nun jedoch scheint Trump auch am Ölmarkt eine Führungsrolle übernehmen zu wollen. Er hat mit dem russischen Präsidenten Putin über den hochpolitischen Rohstoff telefoniert und am Ende einigte man sich auf den Formelkompromiss, dass »Stabilität« am Ölmarkt wichtig sei – was immer das auch heißt.

Der Hintergrund von Trumps Agieren am Ölmarkt ist offensichtlich: Viele US-amerikanische Schieferölförderer, die den Rohstoff unter hohem Druck aus tiefen Gesteinsschichten pressen, kommen immer stärker unter Druck. Weil die Ölpreise in den vergangenen Monaten auch aufgrund der abebbenden Nachfrage eingebrochen sind, lohnt sich die Förderung für viele nicht mehr. Ein erster Schieferölförderer hat bereits Konkurs angemeldet. »Am Ende des Tages geht es Trump um diese Jobs«, sagt Ölexperte Giovanni Staunovo von der Schweizer Großbank UBS.

Die US-Förderer haben deshalb auch begonnen, ihre Kapazität zu reduzieren: Einen Hinweis liefert der Rückgang der aktiven Bohrlöcher von rund 870 im Jahr 2018 auf aktuell noch 624.

Dieser Trend könnte sich beschleunigen, wenn die Konkurse unter den US-Ölförderern zunehmen. Wie besorgniserregend die Lage ist, zeigt ein Bericht des »Wall Street Journal«, dass Trump sich mit den Chefs der größten Ölkonzerne treffen will, um über die aktuelle Herausforderung zu sprechen.

Angeblich sollen Unterstützungsmaßnahmen für die Ölindustrie und/oder Strafzölle auf Erdölexporte aus Saudi-Arabien ein Thema sein. Auch dies könnte ein Indiz dafür sein, dass die Korrektur am Ölmarkt zu Ende geht. Frei nach dem Motto: Die Märkte finden aus der Panik, wenn die Politik in Panik verfällt.

Zudem stellt sich die Frage, wie lange Russland und Saudi-Arabien ihr Kräftemessen werden aufrechterhalten können. Zu den aktuellen Preisen werden beide Staaten ein großes Minus im Staatshaushalt erwirtschaften. Und laut einer Meldung der New Yorker Nachrichtenagentur Bloomberg soll nun auch China als Käufer am Markt auftreten, will die Preisschwäche ausnützen, um seine strategischen Reserven aufzustocken.

Die Corona-Pandemie hat also auch den Ölmarkt in Turbulenzen versetzt. Trump gerät nicht nur innenpolitisch stark unter Druck, sondern auch die Gewichte auf dem Weltmarkt für Öl verschieben sich. Ob die Intervention des US-Präsidenten Erfolg hat und die amerikanische Ölschieferindustrie damit zu retten ist, ist ungewiss. Die Wahrscheinlichkeit, dass Trump tatsächlich einen Deal am Ölmarkt orchestrieren kann, ist gering.

Denn Russlands große Ölgesellschaften könnten nach Einschätzung von Experten selbst dann noch gute Profite machen, wenn der Ölpreis auf 15 US-Dollar fallen sollte. Viele Kosten fallen in günstigen Rubel an, während die Einnahmen in harten Dollar fließen. Ein Experte sagt: »Die Russen haben wenig Anreize für einen Waffenstillstand.« Nicht zuletzt, weil sie mit jedem Tag niedriger Ölpreise weitere US-Konkurrenten aus dem Markt drängen könnten – und vielleicht gar in Konkurs.

Je nachdem, wie lange die Coronavirus-Krise dauert, könnte selbst die angekündigte Förderkürzung aufgrund des starken Nachfrageeinbruchs nicht ausreichen. Zudem könnte das Geschäft nur über Zugeständnisse zustande kommen. So erwarten die OPEC-Staaten auch von den USA eine Ölförderkürzung.

Die OPEC-Staaten wollen in einer Online-Konferenz darüber beraten, wie der massiv gesunkenen Nachfrage begegnet werden soll. Zu erwarten ist dabei eine Absprache über eine globale Kürzung der Fördermengen. Es bleibt abzuwarten, ob Trump sich dieses Mal direkt an der Diskussion beteiligt oder erneut Twitter benutzt, um die Anleger in seinem Sinne zu manipulieren. Denn er will seine Position festschreiben: Die USA und der Dealmaker sollen nicht am Verhandlungstisch sitzen.

Das Weiße Haus ermutige aber Saudi-Arabien und Russland zu einer Einigung untereinander – so US-Energieminister Dan Brouillette in einer Telefonkonferenz mit Managern der US-Ölindustrie. Der US-Präsident sei optimistisch, dass so in wenigen Tagen eine Übereinkunft erzielt werden könne.

Anmerkungen

[1] Siehe hierzu Redaktion Sozialismus: Der US-Arbeitsmarkt kollabiert, Sozialismus.deAktuell vom 4.4.2020.
[2] Siehe hierzu Joachim Bischoff: Corona-Pandemie beendet lange Prosperitätskonstellation, Sozialismus.deAktuell vom 3.3.2020 sowie ders. Corona-Krise der Globalökonomie, in: Sozialismus.de, Heft 4-2020, S. 4ff.

Zurück