22. Juni 2018 Joachim Bischoff: Der US-Präsident als globaler Wachstumsbeschleuniger?

Trump eröffnet den Trade war

Die USA verhängen Zölle gegen wichtige Handelspartner wie Kanada, Mexiko, China und die Europäische Union. Die betroffenen Länder reagieren greifen zu Vergeltungsmaßnahmen. Beispielweise haben die EU-Staaten Strafzölle im Umfang von 2,8 Mrd. € auf US-Waren auf den Weg gebracht. Sie reagieren damit auf Zölle auf europäische Stahl- und Aluminiumeinfuhren, die US-Präsident Donald Trump jüngst verhängt hat.

Konsequenz: Der weltweite Handelsstreit entwickelt sich spiralförmig zu einem gravierenden Konflikt. Zugleich gerät das Freihandelsabkommen CETA zwischen Europa und Kanada in Gefahr: Italiens Agrarminister Gian Marco Centinaio kündigte an, sein Land werde das Vorhaben nicht ratifizieren. In diesem Fall würde die gesamte Vereinbarung kippen. In der Öffentlichkeit macht der Begriff »Trade war« Karriere.

Kritische Beobachter weisen auf die vorläufig geringen Summen hin, die von diesen Strafzöllen ausgelöst werden. Selbst wenn alle protektionistischen Maßnahmen, die von den Beteiligten bisher angedroht wurden, ergriffen werden sollten, würden sie das globale Bruttoinlandprodukt um deutlich weniger als ein halbes Prozent drücken. Sogar eine allgemeine (zusätzliche) Belastung aller US-Importe von 10% würde sich auf die Wirtschaftsleistung nicht verheerend auswirken. Sollten allerdings in Zukunft alle Länder mit hohen Vergeltungszöllen reagieren, drohe eine globale Rezession.

Der US-Präsident geht von einer strukturellen Benachteiligung der USA im Handel mit Kanada, Europa und vor allem China aus. Daher seine These, dass die USA in einem offen ausgetragenen Konflikt nichts zu verlieren hätten und durchaus einen Handelskrieg gewinnen könne. Zugleich schränkt er ein: Er wolle keinen Handelskrieg. China nutze die Vereinigten Staaten aber seit vielen Jahren aus, und »die Vereinigten Staaten können es nicht länger hinnehmen, ihre Technologie und ihr intellektuelles Eigentum durch unfaire Handelspraktiken zu verlieren«. Trump erklärte, sein Land werde auf eine Reaktion Chinas mit eigenen Zöllen wiederum mit neuen Zöllen reagieren. In dieser Eskalationsspirale stecken die Akteure.

Das Weiße Haus erklärt, China wolle offensichtlich sein unfaires Verhalten gegenüber den USA nicht ändern. Die Strafzölle sollten China zu einem Umdenken in Sachen unfairem Umgang mit amerikanischer Technologie und amerikanischem geistigem Eigentum ermuntern. Die Zölle seien auch dazu gedacht gewesen, einen ersten Schritt zu einer ausgeglichenen Handelsbeziehung zwischen China und den USA zu machen. China habe aber leider entschieden, seinerseits Zölle auf amerikanischen Gütern im Wert von 50 Mrd. US-Dollar zu erheben. Statt sein Verhalten zu ändern, bedrohe es nun amerikanische Firmen, Arbeiter und Farmer, die keine Schuld an der Situation hätten. Zusätzliche Maßnahmen seien nötig, damit China von seinen unfairen Praktiken ablasse, seine Märkte für US-Güter öffne und eine ausgeglichener Handelsbeziehung mit den USA akzeptiere.

Die Vereinigten Staaten haben drei Maßnahmen auf den Weg gebracht:

  • Seit Anfang Februar sind Zölle und Importkontingente auf Waschmaschinen und Solarmodule in Kraft.
  • Seit dem 23. März gelten Zölle von 25% auf Stahl und von 10% auf Aluminium.
  • Zusätzliche Zölle auf chinesische Importe mit einem Handelswert von bis zu 150 Mrd. US-Dollar sowie Investitionsbeschränkungen für chinesische Firmen befinden sich in Abklärung.

Die Trump-Administration erwartet ein Einlenken Chinas: Man werde in vielen Bereichen weiterhin zusammenarbeiten, aber die USA ließen sich nicht länger ausnutzen von China und anderen Ländern in der Welt. Man würde alle verfügbaren Instrumente einsetzen, um ein besseres und faireres Handelssystem zu schaffen.

Die Selbstsicherheit des Angriffs auf China stützt sich

  • auf das Handelsbilanzdefizit von rund 375 Mrd. US-Dollar im letzten Jahr
  • und auf den vom US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer vorgelegten »Section 301 Report« mit den Vorwürfen, dass China unfaire Handelspraktiken in Bezug auf Technologietransfer, geistiges Eigentum und Innovationen verfolge.

Die Thesen des Berichtes sind in der Substanz fragwürdig: Gegenwärtig werden in China mehr als 8.000 Joint Ventures praktiziert, verglichen mit insgesamt gut 110.000 Joint Ventures und strategischen Bündnissen, die weltweit seit 1990 aufgesetzt worden sind. Die Argumentation von »erzwungenen Technologietransfers« trifft die Struktur von grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten nicht.

Laut der Europäischen Handelskammer in China, die erneut ihre Mitgliedsfirmen befragt hat, kamen 61% der 532 antwortenden Unternehmen zu dem Schluss, dass ihre chinesischen Konkurrenten in puncto Innovation ihnen inzwischen ebenbürtig oder gar voraus sind. Das sind 14 Prozentpunkte mehr als noch bei der Umfrage 2017. Chinesische Firmen verstehen es aktuell durchaus, bestehende Technologien zu hinterfragen, weiterzuentwickeln und an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen.

Unstrittig ist zugleich, dass es Bereiche gibt, in denen chinesische Firmen noch nicht konkurrenzfähig sind. Aber der Schluss auf einen staatlich geförderten Diebstahl des geistigen Eigentumes ist wenig überzeugend. Im vergangenen Jahr gab es 216.000 Klagen wegen Verstößen gegen bestehende Regeln zum Schutz des geistigen Eigentums, nur 3% davon stammten von ausländischen Firmen.

Es gibt in Sachen Marktzugang in China durchaus noch Handlungsbedarf. Die europäische Firmen drängen die EU dazu, die Verhandlungen über das bilaterale Investitionsabkommen (»Comprehensive Agreement on Investment«) voranzutreiben. China solle sich bei kritischen Punkten wie dem Marktzugang, durch die Teile der chinesischen Wirtschaft derzeit noch abgeschottet sind, zu klaren Regeln bekennen.

Die politische Führung der Volksrepublik weiß, dass die nachholende Entwicklung des Landes und der Wirtschaft noch nicht in der Endphase ist. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf beträgt aktuell rund ein Viertel der Leistung in den Vereinigten Staaten. Die industriepolitische Konzeption »Made in China 2025« soll dazu führen, die Wirtschaft auf ein neues Niveau zu heben. Peking wird daher nicht auf das von Washington geforderte Entgegenkommen eingehen. Trump hätte daher das Angebot zu verstärkten Warenbezügen der chinesischen Unternehmen und die einseitigen Ankündigungen von Zollsenkungen aufgreifen sollen. Auch bei der Liste von Strafzöllen auf US-Waren ist ein Entgegenkommen sichtbar.

China hatte Ende Mai eine Senkung von Auto-Zöllen ab 1. Juli angekündigt. Doch damals hatten sich Unterhändler aus Peking und Washington gerade auf einen Kompromiss geeinigt. Trump hat den Konsens aus chinesischer Sicht aufgekündigt, indem er eine Liste von neuen Zöllen bekanntgegeben hat. Derzeit eskaliert er den Konflikt noch, indem er von weiteren Strafen spricht.

Diese Strafzölle der USA auf Auto-Importe aus China werden von General Motors kritisch betrachtet, weil die US-Firma einen relevanten Teil ihrer Fahrzeuge in China produziert und neben anderen Märkten auch in die USA exportiert. China ist der größte Markt der Welt, während chinesische Marken in den entwickelten Ländern bisher kaum eine Rolle spielen. In China finden jährlich knapp 30 Mio. Autos eine/n Käufer*in, in den USA sind es 17 Mio. Amerikanische Anbieter lieferten im vergangenen Jahr knapp 300.000 Autos nach China, umgekehrt waren es nur 55.000.

Auch für das US-Unternehmen Apple ist China von immenser Bedeutung. Der amerikanische Elektronikkonzern erzielt hier nicht nur einen wachsenden Teil seiner Umsätze. In China lässt Apple auch bei seinen wichtigsten Auftragsherstellern wie Foxconn fertigen. Entsprechend ist Apple im eskalierenden Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und China in einer exponierten Lage. Trump hat dem Apple-Konzern zugesagt, keine Zölle auf die in China gefertigten iPhone-Handys erheben zu wollen. Wenn Apple – wie von Trump verkündet – Produktionskapazitäten in Amerika schaffen will, ist dies für die grenzüberscheitenden Wertschöpfungsketten mit erheblichen Brüchen verknüpft.

Umgekehrt hat der chinesische Telekommunikationsriese ZTE seinen Betrieb weitgehend einstellen müssen, nachdem die USA das chinesische Unternehmen mit einem mehrjährigen Zulieferungsstopp von US-Technologien belegt hatten. Hintergrund waren hier Verstöße des Unternehmens gegen Iran- und Nordkorea-Sanktionen der USA.

Die USA haben es mit den Strafzöllen letztlich auf Produkte der Hochtechnologie abgesehen. Der von Trump eingeschlagene Weg führt zur Eskalation bei den Strafzöllen und zur Zerstörung von grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten. Diese Logik wird die Konjunktur der Global Ökonomie sowie die internationalen Finanzmärkte zunehmend belasten. Ein transatlantischer Handelskrieg hat mit Sicherheit auch dramatische Folgen für die europäischen Länder und die EU.

Aus wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Gründen müssen die kapitalistischen Hauptländer möglichst eine neue Rezession zu vermeiden suchen. Der US-Präsident sieht seinen Kurs dagegen als Wachstumsbeschleuniger: Amerikas Wirtschaft wird im zweiten Quartal um 4% wachsen, nachdem zuvor noch von einem Plus von 2,75% ausgegangen worden war. Auch in politischer Hinsicht ist die Trump-Administration zufrieden: Populismus, Protektionismus und wirtschaftlicher Nationalismus gewinnen auf allen Kontinenten an Gewicht.

Trotzdem geht die Politik von Trump ein hohes Risiko ein: Es ist kühn, ohne westliche Verbündete einen Sieg im Streit mit China erringen zu wollen. Zwar verfügten die USA noch 1960über etwa 40% der globalen Wirtschaftskraft, heute sind es aber nur noch rund 20%. Dies ist noch immer viel. Aber auf mittlere Sicht werden die USA mit Protektionismus den ökonomischen Niedergang der Weltmacht bestenfalls verlangsamen, aber nicht stoppen können.

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