4. Februar 2025 Redaktion Sozialismus.de: Zuckerbrot und Peitsche gegen Mexiko, Kanada und China
Trumps erratische Zollpolitik
Die Sorge vor einem eskalierenden Handelskrieg verunsichert die Finanzmärkte. Die Unsicherheit über das weitere Vorgehen des US-Präsidenten Donald Trump bedroht zugleich die stotternde Weltkonjunktur. Erst überzieht er die Nachbarländer Kanada und Mexiko mit Zöllen – dann werden die Maßnahmen vorläufig wieder ausgesetzt. Auch China hat inzwischen reagiert und aus der EU kommen Botschaften wie die vom deutschen Bundeskanzler: Auf Zollpolitiken, könne man ebenfalls mit Zollpolitiken reagieren.
Wie bereits 2018 hatten Mexiko und Kanada Gegenzölle vorbereitet, die vor allem Produkte aus republikanischen Gliedstaaten des USA treffen würden: Orangensaft aus Florida oder Whiskey aus Kentucky. Sowohl gegenüber Kanada als auch Mexiko war der Deal-Maker inzwischen erfolgreich. Seine Androhung von Zöllen von 25% gegenüber beiden Ländern wurden am Montag in letzter Minute gestoppt. Im Gegenzug für Zugeständnisse der mexikanischen Staatschefin Claudia Sheinbaum, die sich bereit erklärt hatte, die Grenze zu den USA mit mehr Soldaten zu sichern, setzte er die neuen Zölle noch vor Inkrafttreten 30 Tage lang aus.
Wenig später vereinbarte Trump auch mit Kanada eine 30-tägige Verschiebung der Zollerhöhungen, nachdem Premierminister Justin Trudeau erklärt hatte, seine Regierung werde 200 Mio. US-Dollar in den Kampf gegen das organisierte Verbrechen investieren und sich ebenfalls für den Aufbau eines amerikanisch-kanadischen Einsatzkommandos einzusetzen.
Welche Ziele Trump mit diesen Manövern wirklich verfolgt, ist nicht ganz klar. Er machte und macht immer wieder auch insbesondere Ungleichgewichte im Handel geltend. Bereits in seiner ersten Amtszeit setzte er auf Protektionismus, insofern passt eine harte Zollpolitik nur zu gut in seine »America First«-Agenda. Im Falle von Mexiko sind aktuell die Drohungen nachvollziehbar. Der Großteil der Drogen sowie der Migrant*innen gelangt durch das südliche Nachbarland in die USA. Kanada trägt jedoch kaum zu diesem Problem bei. Nur sehr geringe Mengen an Fentanyl kommen über die kanadische Grenze auf den amerikanischen Markt.
Ein Ziel könnte darin bestehen, Industriebetriebe durch mehr Protektionismus zur Umsiedlung in die USA zu bewegen, oder mit mehr Zolleinnahmen das US-Schuldenloch zu verkleinern. Im Fall von Kanada (ebenso von Grönland) hatte der amerikanische Präsident auch wiederholt eine territoriale Expansion nicht ausgeschlossen. Gegenüber dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau soll er im Dezember bei einem Nachtessen gesagt haben, Kanada könne zum 51. Gliedstaat der USA werden. Auch das ist ein Novum im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit.
Später schrieb er auf seiner Plattform Truth Social, Washington zahle »hunderte Milliarden Dollar, um Kanada zu unterstützen«, in Bezug auf das US-Handelsdefizit mit dem nördlichen Nachbarn. »Ohne diese massive Hilfe hört Kanada auf, als lebensfähiges Land zu existieren«, behauptete er, ohne einen Beleg dafür anzugeben. »Deswegen sollte Kanada unser geschätzter 51. Staat werden.« Die Kanadier*innen würden damit weniger Steuern zahlen, wären besser militärisch geschützt und vor allem würden die Zölle wegfallen.
Trump missachtet mit seiner Zollpolitik gegenüber kanadischen und mexikanischen Einfuhren ein Abkommen, das er in seiner ersten Amtszeit selbst ausgehandelt und als großen Erfolg gefeiert hat. Sein Argument, er müsse nun Fehler der Biden-Administration korrigieren, trifft also nicht zu. Er fühlt sich nicht länger an das United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) gebunden und sendet damit das Signal aus: Wer mit mir einen Vertrag unterzeichnet, kann nicht sicher sein, dass ich mich auch daranhalte.
Die erratische Zollpolitik belastet die US-Ökonomie, auch wenn kritischen Stimmen aus der eigenen republikanischen Partei selten und eher leise daherkommen, wie die von Senatoren Chuck Grassley aus Iowa oder von Rand Paul aus Kentucky, der auf SocialMedia schrieb: »Eine Besteuerung des Handels führt zu weniger Handel und höheren Preisen.« Der konservative Senator Bernie Moreno aus Ohio hingegen begrüßte die angekündigten Zölle: »Ohio ist offen für Geschäfte und wird jedem Unternehmen den roten Teppich ausrollen, das in Amerika produziert.« Die Zölle hätten das Ziel, das Verhalten der betroffenen Länder zu verändern, meinte Senator Lindsey Graham aus South Carolina. Wenn sie sich benähmen, würden auch die Zölle wieder verschwinden.
US-Zölle würden Chinas Wachstum belasten
Die Volksrepublik China kontert ebenfalls mit Gegenzöllen und einer Klage vor der Welthandelsorganisation (WTO). Die einseitige Erhöhung der Zölle durch die USA stelle einen schweren Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation dar, teilte das Pekinger Handelsministerium mit. Trumps Maßnahmen würden der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen China und den USA schaden. Zudem wurde eine kartellrechtliche Untersuchung gegen den US-Technologieriesen Google angekündigt.
Darüber hinaus verkündete die chinesische Regierung zusätzliche Exportbeschränkungen bei einigen »kritischen Metallen«, die für die US-High-Tech-Industrie wichtig sind. China hat ferner angekündigt, Importzölle auf bestimmte Güter aus den USA zu erheben: Zusatzzölle in Höhe von 15% auf Kohle und verflüssigtes Erdgas, für Öl und landwirtschaftliche Maschinen 10%. Die Zölle sollen demnach am 10. Februar in Kraft treten.
Die Antwort von Chinas Führung auf die Zölle der Trump-Administration fällt gleichwohl verhalten aus. Es soll offenbar eine frühe Eskalation eines drohenden Handelskriegs vermeiden und die Gesprächskanäle offengehalten werden. Expert*innen sprachen von einem Warnschuss und Nadelstichen gegen die USA.
Eine zwischenzeitliche temporäre Einigung wie mit Mexiko oder Kanada gibt es zwar noch nicht, eine Sprecherin des Weißen Hauses hatte gestern jedoch mitgeteilt, Trump und der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping würden in den kommenden Tagen miteinander telefonieren. Trump selbst erklärte am Montag, dass man mit der chinesischen Seite »wahrscheinlich in den nächsten 24 Stunden« sprechen werde.
Kommt es zu keiner Verständigung, drohen die beiden größten Volkswirtschaften der Welt auf einen neuen Handelskrieg wie 2018 zuzusteuern – in seiner ersten Amtszeit hatte Trump ebenfalls mit der Verhängung von Zöllen einen Konflikt ausgelöst, bei dem sich China und die USA über gut zwei Jahre hinweg mit immer weiteren Zöllen überzogen.
Höhere US-Zölle belasten Chinas Exportwirtschaft, da sie chinesische Waren auf dem US-Markt teurer und damit weniger wettbewerbsfähig machen. Die von China angekündigten Zölle dagegen dürften der amerikanischen Wirtschaft in sehr begrenztem Umfang schaden, denn nur rund 6,5% der US-Kohle-Exporte gehen nach China. Zu dessen Hauptlieferländern gehören Australien und die Mongolei.
Ähnlich ist das Bild beim Flüssiggas (LNG): China bezieht nur 6% seines Flüssiggases aus den USA, allerdings mit steigender Tendenz: Während der ersten zehn Monate des vergangenen Jahres stiegen Chinas LNG-Einfuhren im Jahresvergleich um 63%, die Abhängigkeit der USA vom chinesischen Markt nimmt zu. Insofern ist der Zoll auf amerikanisches Flüssiggas ein kluger Schritt Pekings: Er richtet momentan nur begrenzten Schaden an, dürfte in Washington aber als klare Warnung für die Zukunft verstanden werden.
Die meisten Expert*innen in China gehen davon aus, dass Trump mit seinen Zöllen auf chinesische Importe Ernst machen wird. »Anders als im Fall von Kanada und Mexiko werden die Zölle auf Waren aus China von Dauer sein«, schreibt Louise Loo von Oxford Economics in einer Analyse. Eine Erhöhung der amerikanischen Zölle um 10 Prozentpunkte werde das chinesische Wirtschaftswachstum um 40 Basispunkte reduzieren, so Loo. China strebt für das laufende Jahr eine Wachstumsrate von 5% an.
Zusammen mit den Zöllen aus der ersten Trump-Administration auf verschiedene Warengruppen liegt der durchschnittliche gewichtete Zollsatz auf alle US-Importe aus China nach der jüngsten Erhöhung bei 24,5%. Das haben die Ökonomen von Gavekal Dragonomics errechnet. Besonders schmerzhaft ist für China, dass mit dem jüngsten Schritt auch die Zollbefreiung auf kleine Lieferungen mit einem Einzelwert von bis zu 800 US-Dollar entfällt. Dies trifft vor allem chinesische Hersteller von Haushaltsgeräten, Konsumgütern und Elektronikprodukten.
Im vergangenen Jahr gingen rund eine Milliarde solcher Lieferungen von China in die USA. Die amerikanischen Zollbehörden bezifferten den Gesamtwert auf 54,5 Mrd. US-Dollar. Der tatsächliche Wert dürfte allerdings weitaus höher sein, denn viele Hersteller geben den Wert der Lieferungen in ihren Rechnungen niedriger an, als er tatsächlich ist.
Noch härter dürfte es die chinesische Wirtschaft treffen, wenn Trump seine Drohung wahr machen sollte, Lieferungen aus China mit einem pauschalen Zollsatz von 60% zu belegen. Dies würde nach Berechnungen der UBS-Experten in Hongkong das Wachstum um 150 Basispunkte schmälern.
Zhang Ning, China-Ökonom der UBS, geht davon aus, dass Washington die Zölle auf chinesische Waren in mehreren Schritten bis 2026 tatsächlich auf 60% anheben wird. Das hätte mittelbare Folgen für den Konsum und die Investitionen. Keine guten Aussichten für die ohnehin schwächelnde gebeutelte chinesische Wirtschaft. Deshalb hat die Volksrepublik allen Grund, im Handelsstreit mit den USA auf Ausgleich zu setzen.