3. Oktober 2018 Joachim Bischoff: US-Präsident punktet vor den Midterm-Wahlen

Trumps »großartiger Deal«

Die USA, Kanada und Mexiko haben sich auf einen neuen Vertrag für die nordamerikanische Freihandelszone geeinigt – das USMCA (USA-Mexico-Canada-Agreement) löst das von US-Präsident Donald Trump hart kritisierte Nordamerikanische Freihandelsabkommen (North American Free Trade Agreement – NAFTA) ab.

Ziel von NAFTA war es, Nordamerika auf dem globalen Markt wettbewerbsfähiger zu machen. Es war das größte Freihandelsabkommen der Welt – abgeschlossen 1994 –, betraf fast 500 Mio. Menschen und deckte ein Gebiet mit einer Wirtschaftsleistung von knapp 23 Bio. US-Dollar ab. Das Handelsvolumen der USA mit den beiden Nachbarstaaten hat sich seit 1994 auf 1,2 Bio. US-Dollar fast vervierfacht.

US-Präsident Donald Trump hatte neben dem Kampf gegen die Migration aus Mexiko (Forderung nach einem Mauerbau) und der Abschaffung der erweiterten Krankenversicherung (Obamacare) vor allem den NAFTA-Vertrag immer wieder als »den schlechtesten Deal aller Zeiten« angegriffen, als schlechtesten Vertrag, den die USA je unterschrieben haben, und exemplarisch für den Verlust Hunderttausender US-Arbeitsplätze durch die Freihandelspolitik.

Die Trump-Regierung wollte daher das Handelsdefizit zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko radikal reduzieren. Im Jahr 2017 kauften die Amerikaner für 71 Mrd. US-Dollar mehr aus Mexiko als umgekehrt. Das Handelsdefizit mit Kanada ist geringer. Trump hatte eine Neuverhandlung dieses Freihandelsabkommen zum zentralen Punkt seiner Außenpolitik gemacht.

Die Kritik an NAFTA ist umstritten, weil der Niedergang der US-Automobilindustrie nicht auf die Existenz der Freihandelszone zurückgeführt werden kann. Zwar begannen insbesondere die US-Autokonzerne GM, Ford und Chrysler in den 1990er Jahren damit, die Produktion von PKWs nach Kanada und vor allem ins Billiglohnland Mexiko auszulagern. Die Kostensenkungen trugen jedoch maßgeblich zur Gesundung der einst am Boden liegenden Branche bei und ermöglichten es den Firmen, auch in den USA neue Jobs zu schaffen.

Die Erwartung, dass nun durch die Neuregelung im USMCA in der US-Automobilbranche wieder Beschäftigungswerte wie im Jahr 2000 erreicht werden könnten (über 1,3 Mio. Lohnabhängige) ist illusionär. Mit dem neuen Abkommen sollen Autohersteller dazu bewegt werden, mehr PKW in Nordamerika und insbesondere in den USA zu bauen. Um zollfrei in einem der drei Länder verkauft werden zu können, müssen Autos künftig zu 75% (NAFTA: 62,5%) auf dem nordamerikanischen Kontinent gefertigt sein und zu 70% aus heimischem Stahl und Aluminium bestehen. Einigen konnte man sich darauf, dass die Exporte auf 2,6 Mio. Fahrzeuge jährlich beschränkt werden.

Zudem müssen künftig zwischen 40 und 45% von Arbeitnehmer*innen produziert worden sein, die mindestens 16 US-Dollar pro Stunde verdienen, was das Outsourcing in das Niedriglohnland Mexiko begrenzt. In den Vereinigten Staaten verdient ein Arbeiter in der Autoindustrie gut 22 US-Dollar pro Stunde, in Mexiko dagegen nur 3,50 US-Dollar.

Im Gegenzug müssen Kanada und Mexiko nicht mehr befürchten, von künftigen US-Autozöllen getroffen zu werden, deren Verhängung Trump angedroht hatte. Eine 25%ige Zollabgabe pro Fahrzeug hätte angesichts des Stellenwertes der Branche eine kontinentale Rezession auslösen können.

Fakt bleibt: Die Wertschöpfungsketten Nordamerikas werden weiter gestärkt, wenn auch zum Teil zu Lasten der globalen Wertschöpfungsketten. Fakt ist weiter, dass die Autos in der nordamerikanischen Wertschöpfungskette teurer werden, was sicher Rückwirkungen auf den globalen Automobilsektor haben wird. Und die angedrohten Strafzölle auf Autoimporte aus anderen Regionen sind damit noch nicht vom Tisch.

USMCA sieht weiter den zollfreien Warenverkehr zwischen Kanada, Mexiko und USA vor, und dank dem Beharren Kanadas ist auch das Streitbeilegungsverfahren Teil des Abkommens geblieben. Auch sonst wurden Handelsbarrieren, wie in Kanadas geschütztem Milchmarkt, eher abgebaut, statt dass neue Barrieren errichtet wurden.

Kanada setzte sich zudem mit seiner Forderung durch, die Regeln beim Schutz von geistigem Eigentum sowie bei Schiedsgerichten zu erhalten. Außerdem soll die kanadische Kultur- und Fernsehbranche geschützt bleiben. Mexiko ist auch zufrieden, dass die befürchteten Eigentumstransaktionen auf Erdölfelder ausgeblieben sind.

Trump bezeichnete das überarbeitete Handelsabkommen als »wunderbare« und »historische« Vereinbarung, die »die vielen Mängel und Fehler von NAFTA beseitigt, Märkte für unsere Bauern und Industrieunternehmen in großem Stil öffnet, Handelsbarrieren für die USA beseitigt und alle drei beteiligten großen Nationen im Wettbewerb mit dem Rest der Welt eint«. Die von den USA verlangte »Sunset«-Klausel, wonach das Abkommen alle fünf Jahre hätte neu abgesegnet werden müssen, wurde abgemildert. Der erzielten Vereinbarung zufolge bleibt USMCA 16 Jahre in Kraft und wird alle sechs Jahre überprüft.

USMCA ist somit unter dem Strich eine Verlängerung der Freihandelspolitik, die Trump in den letzten Monaten durch die US-Strafzölle und die Attacken auf die Welthandelsordnung angegriffen hatte. Für den Präsidenten zählt sicher auch die Erfüllung eines weiteren Wahlkampfversprechens, da in fünf Wochen die wichtigen Midterm-Kongresswahlen anstehen und die politische Agenda in den USA einigermaßen zugespitzt ist. Die Republikaner haben 51 Sitze im Senat, die Demokraten 49. Im November stehen alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und rund ein Drittel der 100 Senatoren zur Wahl.

Donald Trump und die republikanische Partei stehen zweifellos durch viele innenpolitische Skandale unter Druck: durch die Ernennung des umstrittenen Richters Brett Kavanaugh, durch Robert Muellers Ermittlungen, Paul Manaforts Kooperation mit dem Sonderermittler, Michael Cohens Schuldeingeständnis und nicht zuletzt seit Neuestem dem Vorwurf, der US-Präsident habe millionenschwere Geschenke seiner Eltern vor den Steuern verschleiert, den die »New York Times« gestern erhob. Die US-Steuerbehörde prüft die Vorwürfe.

Nicht zu ignorieren sind die Erfolge progressiver demokratischer Kandidat*innen und sinkende Umfragewerte für den aktuellen Präsidenten und die Republikaner. Gleichwohl wäre es naiv zu glauben, dass Trump endgültig erledigt sei, nachdem er schon so oft politisch für tot erklärt wurde.

Die aggressive Handels- und Außenpolitik und nun der Erfolg in Sachen NAFTA sind zweifellos Aktiva in seiner politischen Zwischenbilanz. Trump kämpft für die Verteidigung der republikanischen Mehrheit: »Wir sind nur fünf Wochen von den wichtigsten Kongresswahlen unseres Lebens entfernt. Ich kandidiere nicht, aber ich kandidiere in Wirklichkeit doch… Viel von dem, was wir getan haben – manche Menschen sagen, alles was wir getan haben –, steht im November auf dem Spiel.«

Der Präsident verwandelt die Zwischenwahlen in eine Schicksalswahl. Den Demokraten bescheinigte er, für »radikalen Sozialismus« zu stehen. Sollten sie die Mehrheit der Republikaner im Senat brechen, »würden sie die Grenzen öffnen«. Medien, die kritisch über ihn berichten, wirft er vor, die Demokraten zu unterstützen. »Sie schüren das Feuer von Feindseligkeit und Chaos. Sie berichten falsche Nachrichten … Sie sind wahrlich die Feinde des Volkes.«

Zu den von Trump verbuchten politischen Erfolgen gehört auch die Unterzeichnung des vom Repräsentantenhaus verabschiedeten Budgetpakets. Damit wird ein zunächst befürchteter Regierungsstillstand abgewendet. Das Budgetpaket hat einen Umfang von 854 Mrd. US-Dollar (729,48 Mrd. Euro). Es stellt die Finanzierung des Pentagons, des Bildungs- und des Gesundheitsministeriums und anderer Ressorts sicher. Es enthält zudem eine Übergangsfinanzierung für den übrigen Teil der Regierung bis zum 7. Dezember. Die Zustimmung des Präsidenten galt zunächst nicht als sicher, denn er kritisiert, dass der Gesetzentwurf kein Geld für den Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko beinhaltet.

Die Trump-Administration ist auf Erfolge aus, die sich innenpolitisch vermarkten lassen. Der Präsident will – außer mit einigen Abstrichen bei der hochkompetitiven US-Landwirtschaft – nicht Märkte öffnen, sondern Schutz für »alte« Industrien wie den Metall- und den Fahrzeugsektor schaffen.

USMCA bietet aber noch weitere politische Aspekte: Zunächst ist denkbar, dass auch die anderen Handelskonflikte durch Kompromisse aufgelöst werden können. Trumps Zielsetzung einer grundlegenden Neuordnung des weltweiten Handelssystem hat mit diesem Abkommen an Konturen gewonnen. Vor kurzem fand die Unterzeichnung eines Abkommens mit Südkorea statt.

Aber es bleiben reichlich Konfliktfelder offen und es gibt noch keine Antwort auf den Trumpschen Protektionismus und den Angriff auf multilaterale Abkommen. Die bisherige Weltwirtschaftsordnung wird durch die einseitige Aufkündigung des Iran-Abkommens und die Verhängung von Sanktionen massiv bedroht. Auch im gefährlichsten Handelskonflikt zwischen USA und China stehen die Zeichen nach wie vor auf Eskalation und eine mögliche Auflösung ist nicht in Sicht.

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