28. September 2017 Otto König/Richard Detje: Eskalation zwischen den USA und Nordkorea

Trumps Overkill-Mentalität

Foto: flickr.com | Gage Skidmore

Donald Trumps Rhetorik vor der diesjährigen UN-Generalversammlung kam der Ankündigung einer Kriegserklärung gleich: Da das »verkommene Regime« in Nordkorea mit seinem Streben nach Atomwaffen eine Gefahr für die ganze Welt darstelle, drohte der US-amerikanische Präsident dem ostasiatischen Land und seinen 25 Millionen Menschen, wenn es nicht nachgebe, mit der »totalen Zerstörung«. [1]

Der Ort dieser Ankündigung dürfte bewusst gewählt worden sein. Besser konnte der US-Präsident seine Verachtung gegenüber den UN nicht zum Ausdruck bringen, in deren Magna-Charta es heißt, »künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren … Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben, unsere Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren«.

Außerhalb der UNO nahm die Eskalation weiter Fahrt auf. Nordkoreas Außenminister Ri deutete an, dass sein Land eine Wasserstoffbombe im Pazifik zur Explosion bringen könne; die USA schickte erstmals seit nahezu 20 Jahren B-1b-Langstreckenbomber nordöstlich der zwischen Nord- und Südkorea entmilitarisierten Zone; Nordkorea drohte daraufhin mit deren Abschuss im Falle einer Wiederholung und verlegte Kampfflugzeuge an die Ostküste. Die USA zogen die Sanktionsschraube weiter an – zuletzt gegen acht nordkoreanische Banken. Diplomatie habe Vorrang, hieß aus dem Pentagon, doch Trump ließ verlautbaren: »Wir sind komplett vorbereitet auf die zweite Option… Wenn wir uns für diese Option entscheiden, wird es verheerend für Nordkorea…«

Leitartikler kommentierten derartige Verbalinjurien als »irre«. Das ist falsch. Es geht es nicht um die Launen bzw. Alleingänge eines »senilen« und auf diplomatische Gepflogenheiten keine Rücksicht nehmenden Politikers. So hat der US-Kongress jüngst beschlossen, den Militäretat auf 700 Milliarden Dollar zu erhöhen und damit das US-Militär stärker denn je zu machen. Für einen Teil des republikanischen Lagers in den USA, das sich seit dem Aufstieg der »Tea Party« weit nach rechts bewegt hat, war ein Atomkrieg immer eine »denkbare Option«, die ihre Präsidenten – von Harry S. Truman bis George W. Bush – allerdings nicht ergriffen. Trump hat das früh als »Bullshit« bezeichnet.

Es war Henry Kissinger, dessen »imperiale Strategie« beinhaltet, dass die unbedingte Beachtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker und der Souveränität der Staaten keine Garantie für Frieden sei; nur eine globale Macht besitzt die materiellen Mittel und die Fähigkeit, in Krisenzeiten überall und unverzüglich einzugreifen. Nur so könne der Frieden erzwungen werden. [2] Übersetzt heißt das: Nordkorea muss niedergerungen werden.

Auf Trumps Liste der Schurkenstaaten, die eine »Geißel der Menschheit« darstellen, stehen wie bei Bush Nordkorea und der Iran. Der Irak gehört nach der völkerrechtswidrigen Intervention der »Koalition der Willigen« nicht mehr dazu: Operation gelungen, Patient tot. Neu hinzu kamen Kuba und Venezuela. Saudi-Arabien, das seit Jahren seine fundamentalistische Ideologie in alle Welt exportiert, militante IS-Gruppen im Syrien-Krieg finanziell unterstützte und im Jemen einen menschenvernichtenden Krieg führt, gehört nicht dazu, sondern wird nach Trumps jüngstem Besuch dort beschleunigt aufgerüstet.

Mit Blick auf Nordkorea hatte UN-Generalsekretär Antonio Guterres bei der Eröffnung der Vollversammlung zu Recht davor gewarnt, dass maßlose Rhetorik die Gefahr einer gefährlichen Eskalation noch erhöht. »Der Gebrauch von Atomwaffen sollte undenkbar sein. Selbst die Androhung ihres Einsatzes darf niemals geduldet werden«, betonte Guterres und fügte hinzu: »Wir dürfen nicht in den Krieg schlafwandeln.« Nur die Geschlossenheit der UN werde es ermöglichen, einen diplomatischen Weg für die Lösung der Nordkorea-Krise zu finden.

Doch statt ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten, um Kim Jong-un zu einer Aussetzung der Raketen-Testserie zu veranlassen, präsentiert Trump immer neue Drohungen und weckt damit Befürchtungen in Nordkorea hinsichtlich eines »Regime-Change«. In dem Land hätten sich in den vergangenen Jahren »Risse« abgezeichnet, die Lage sei »deutlich instabiler« geworden, meinen informierte Beobachter. [3] »Ein von außen gesteuerter, klandestiner Sturz der Kim-Dynastie« sei derzeit wohl nicht erreichbar und nur eine »Illusion«; doch gebe es »Möglichkeiten, die transformativen Veränderungen in Nordkorea zu fördern oder sogar zu gestalten«.

Im Oktober 2015 und Februar 2016 bot Nordkorea Friedensverhandlungen an. China schlug noch im April 2017 vor, dass die USA auf die Kriegsmanöver in Südkorea verzichten und im Gegenzug Nordkorea seine Atomwaffentests einstellen solle. All diese diplomatischen Vorstöße wurden vonseiten der US-Administration zurückgewiesen, an Bedingungen geknüpft oder ignoriert. Stattdessen trieben die USA seit 2016 die Stationierung des THAAD-Raketenabwehrsystems voran, gegen das es in Südkorea selbst massive Proteste gibt. [4]

Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Konflikte aus US-Sicht nützlich ist. Schließlich helfen die Auseinandersetzungen dabei, die gegen China gerichtete und geostrategisch als überaus bedeutsam erachtete Präsenz von 30.000 US-Soldaten in Ostasien zu rechtfertigen, die die Volksrepublik wohl nicht zu Unrecht als Teil einer Einkreisungsstrategie einstuft.

Doch nicht genug: Trump richtete seine Attacke auch gegen den wirtschaftlich ausgelaugten »Schurkenstaat« Iran. Das »mörderische Regime« untergrabe den Frieden im gesamten Nahen Osten, mit seinem Öl bezahle es die Hisbollah und die Diktatur des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Einmal mehr bezeichnete er das internationale Atomabkommen mit der islamischen Republik als einen der schlechtesten Verträge, die jemals abgeschlossen worden seien. Es gibt jedoch keinerlei Belege dafür, dass der Iran gegen das Atom-Abkommen verstoßen habe. »Der Iran unterliegt der weltweit strengsten Überwachung eines Atomprogramms«, sagte IAEA-Chef Yukiya Amano zum Auftakt der Generalkonferenz der Organisation in Wien. [5]

Das Atomabkommen mit dem Iran ist aus Sicht der Weltgemeinschaft (mit Ausnahme Israels) trotz aller Schwierigkeiten im Detail eine echte Hoffnung. Möglich wurde er, weil sich die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland mit Teheran an einen Tisch gesetzt haben. Deshalb müssen sich nun die Garantiemächte des Abkommens energisch gegen die zerstörerische Politik Trumps stemmen. Der 2015 geschlossene Atomdeal sei »solide« und »robust«, ihn »aufzugeben, wäre ein schwerer Fehler«, erklärte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor der UNO-Vollversammlung. Der Iran hat in dem »Internationale Atomabkommen« auf atomare Waffen verzichtet. Dieser Vertrag könnte durchaus ein Modell für Verhandlungen mit Nordkorea sein. Es liegt an den europäischen Staaten sowie Russland und China, den Ausstieg aus der Konfliktdynamik voranzutreiben.

[1] Atomare Drohungen seitens der USA sind Nordkorea nicht unbekannt. Der Oberkommandierende der Alliierten Streitkräfte in Südkorea, US- General Douglas MacArthur, äußerte sich in einem Interview 1954 enttäuscht, dass er seinen Plan zur Beendigung des Korea-Krieges nicht umsetzen durfte. Dieser Plan habe den Einsatz von »zwischen 30 und 50 Atombomben« vorgesehen. Zusätzlich sollte die Grenze Nordkoreas zu China für lange Zeit durch die radioaktive Verseuchung des Grenzflusses Yalu unpassierbar gemacht werden. Das US-Außenministerium und die Vereinten Nationen brachten den Plan zu Fall (DW, 12.8.2017).
[2] Vgl. Henry Kissinger: A World Restored: Metternich, Castlereagh and Problems of Peace 1812-1822.
[3] So Helena Legarda/Hanns W. Maull in »Internationale Politik«, September/Oktober 2017, S. 102-109.
[4] Vgl. Claudia Haydt: Globale Konfrontation um Korea, IMI-Analyse 30/2017.
[5] NTV, 18.9.2017.

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