2. Dezember 2022 Joachim Bischoff: Fed fährt Zinssteigerungen zurück

US-Notenbank nimmt »Fuß vom Gaspedal«

In den USA ist die Wirtschaft laut der Notenbank Federal Reserve (Fed) von Mitte Oktober bis Ende November kaum oder nur mäßig gewachsen. Im Vergleich zur vorigen Befragung habe sich die wirtschaftliche Aktivität weiter verringert, teilte die Fed im Konjunkturbericht »Beige Book« mit.

Hohe Zinsen und Inflation belasteten nach wie vor die US-Wirtschaft. Viele Befragten hätten eine größere Unsicherheit zum Ausdruck gebracht oder schauten pessimistischer in die Zukunft, heißt es weiter in dem Bericht. Die Verbraucherpreise seien in den meisten Bezirken mit einem moderaten bis starken Tempo gestiegen, ebenso habe dort die Beschäftigung leicht zugenommen. Die Nachfrage nach Arbeitskräften habe sich insgesamt abgeschwächt.

Die US-Wirtschaft war im Sommer auf das Jahr hochgerechnet noch um 2,9% gewachsen. Angesichts der noch immer hohen Inflation im Land sind die Konjunkturaussichten jedoch deutlich eingetrübt. Die Fed stemmte sich bislang mit kräftigen Zinserhöhungen gegen den Anstieg der Verbraucherpreise, die mit 7,7% zuletzt jedoch nicht mehr so stark zulegten wie zuvor.

Die Fed wird daher – so die Andeutung ihres Chefs Jerome Powell – bei ihrer letzten Sitzung im laufenden Jahr etwas den Fuß vom Gas nehmen. Die höheren Zinsen machen Kredite für Investitionen und Konsum teurer, was wiederum die Konjunktur ausbremsen könnte.

Powell hat also die Finanzmärkte auf eine weniger aggressive Gangart bei den Zinsenerhöhungen eingestimmt. Bereits im Dezember könne die Zeit gekommen sein, das Tempo bei den Zinsanhebungen herauszunehmen, sagte er bei einer Veranstaltung in Washington.

Allerdings sei der Kampf gegen die Inflation noch nicht beendet. Zudem sei es wahrscheinlich, dass die Fed den Leitzins letztlich auf einen etwas höheren Stand treiben müsse als die Währungshüter im September in ihren Projektionen mit einem Niveau von 4,6% signalisiert hätten. Eine konkrete Zahl nannte Powell indes nicht.

Um die Inflation in den Griff zu bekommen, sei es nötig, das geldpolitische Niveau für einige Zeit auf einem restriktiven Niveau zu halten, das die Wirtschaft zügele. Dies gilt als Absage an eine Zinssenkung, mit denen manche Investoren für das nächste Jahr rechnen. Noch seien »keine klaren Fortschritte« bei der Verlangsamung der Inflation zu erkennen, sagte Powell: »Wir werden den Kurs beibehalten, bis die Arbeit erledigt ist.«

Die Fed hatte Anfang November den Leitzins zum vierten Mal in Folge um 0,75 Prozentpunkte erhöht – auf die neue Spanne von 3,75 und 4,00%. Mittlerweile haben mehrere Notenbanker signalisiert, dass sie nurmehr kleinere Schritte befürworten könnten, denn es würden die Anzeichen zunehmen, dass der hohe Inflationsdruck stärker als gedacht zurückgeht – sowohl bei den Verbraucher- als auch bei den Erzeugerpreisen. Ein Zinsschritt in Höhe von lediglich 0,50 Prozentpunkten bei der Sitzung Mitte Dezember wird damit aus Sicht vieler Investoren wahrscheinlicher.

Wie aus den Protokollen der jüngsten Fed-Sitzung hervorgeht, ist in der Führungsebene auch eine Debatte darüber in Gang gekommen, welche Risiken ein zu schnelles Anziehen der Zinsschraube bewirken könnte. Nach Ansicht der Währungshüterin Esther George wird es zunehmend schwieriger, die Inflation einzudämmen, ohne eine Rezession auszulösen.

»Der Zeitpunkt für eine Mäßigung des Zinserhöhungsrhythmus könnte schon bei der Dezember-Sitzung erfolgen«, sagte Powell in seiner Rede. »Angesichts unserer Fortschritte bei der Straffung der Politik ist der Zeitpunkt dieser Mäßigung weit weniger wichtig als die Frage, um wie viel wir die Zinsen weiter anheben müssen, um die Inflation unter Kontrolle zu halten, und wie lange es notwendig sein wird, die Politik auf einem restriktiven Niveau zu halten.«

Während Ökonomen eine Rezession in den nächsten zwölf Monaten als wahrscheinlich ansehen, hält eine sogenannte weiche Landung für die Wirtschaft für »sehr plausibel und immer noch erreichbar«. Der regionale Konjunkturbericht der Fed besagt, dass die Wirtschaftstätigkeit in den letzten Wochen gegenüber dem vorangegangenen Bericht in etwa gleichgeblieben oder leicht gestiegen ist, was unter dem bescheidenen Wachstumstempo des vorangegangenen Berichtzeitraums liegt, der bis Oktober lief.

Hohe Zinsen und Inflation haben Nebenwirkungen auf die Konjunktur: Sie schwächen das Wirtschaftswachstum, weil sie Kredite verteuern. Und das hat letztlich negative Folgen für den Arbeitsmarkt. Damit gerät die Notenbank Fed in Konflikt mit ihrem zweiten Hauptziel. Anders als andere Zentralbanken soll das Fed laut seinem Auftrag auch ausdrücklich für Vollbeschäftigung sorgen.

Das Fed bemüht sich deshalb, nur so weit an der Zinsschraube zu drehen, dass die Wirtschaft nicht kippt und in eine dauerhafte Rezession fällt. Aber eine kurzfristige Dämpfung der konjunkturellen Entwicklung, eine sanfte Landung wird bewusst in Kauf genommen und ist offenkundig realisiert worden. Die Fed ist zuversichtlich, dass die Inflation dauerhaft in Richtung ihres Ziels von 2% sinken wird. Schon im Oktober hatte sich die hohe Inflation stärker als erwartet abgeschwächt. Die Teuerungsrate für Waren und Dienstleistungen fiel im Oktober auf 7,7% von 8,2% im September. Deshalb will die Fed Tempo bei den Straffungsschritten herausnehmen.

Der US-Währungshüter Neel Kashkari nannte es jedoch »komplett verfrüht«, bereits über einen geldpolitischen Wendepunkt zu sprechen. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) bestand in der aktuellen Konstellation das Risiko, die Feinsteuerung von Krediten und gesellschaftlichem Wachstum zu vermasseln, also sowohl zu wenig zu machen als auch zu viel. Zu kräftige Zinserhöhungen könnten das Wachstum abwürgen, ein zu langes Zögern die Inflation nicht bändigen. Es sieht so aus, dass die Feinjustierung der US-Notenbank geglückt ist, und damit die Glaubwürdigkeit der Zentralbank unter Beweis gestellt wurde.

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