24. August 2019 Joachim Bischoff: China und Fed-Präsident Jay Powell im Visier

US-Präsident Trump rastet aus

Vor seinem Abflug zum G7-Gipfel in Frankreich erklärte US-Präsident Donald Trump, die USA hätten »etwas Knatsch« mit China – »und wir werden gewinnen«. China habe die Vereinigten Staaten über viele Jahre ausgenutzt. »Wir wollen, dass das aufhört.«

Wenig überraschend war die Ankündigung der chinesischen Regierung von Gegenmaßnahmen auf die jüngste Ausweitung der Strafzölle für chinesische Exporte. Peking will auf amerikanische Waren im Wert von etwa 75 Mrd. US-Dollar neue Abgaben zwischen 5% und 10% erheben. Sie sollen ab dem 1. September bzw. 15. Dezember gelten. Betroffen sind gut 5.000 US-Produkte wie Autos, Autoteile und Agrarprodukte.

Der Handelsstreit ist längst zum Wirtschaftskrieg ausgeufert, weil es auch um die Marktzugänge von Wirtschaftskonzernen beider Länder, die Stabilität der Währungsverhältnisse und die Abschirmung von geistigem Eigentum geht. Zuletzt hatte Trump, der China unfaire Handelspraktiken vorwirft, Anfang August den Konflikt trotz neuer Gespräche verschärft und angekündigt, auf Importe aus China im Volumen von 300 Mrd. US-Dollar Sonderzölle zu erheben. Die Einführung der neuen Abgaben verschob er allerdings. Sie sollten eigentlich ab September greifen. China behielt sich Gegenmaßnahmen vor.

Trumps Handelsberater Peter Navarro bemühte sich, die Ankündigung der chinesischen Zölle herunterzuspielen. »Es ist wichtig, dass sich niemand zu sehr aufregt, zumal es sich um einen gut angekündigten Schritt handelt«, sagte er dem Nachrichtensender CNN. Faktisch aber hat sich USA-Präsident Trump mächtig aufgeregt. Was den US-Präsidenten so in Rage gebracht hatte, war die Ankündigung seines vermeintlichen »Freundes« Xi Jinping: Der chinesische Staatschef hatte mitteilen lassen, dass die Volksrepublik als Reaktion auf die jüngsten Zollankündigungen der Amerikaner ihrerseits weitere Strafabgaben auf US-Warenlieferungen erheben werde. Mit einer solchen Verschärfung hatte der US-Präsident nicht gerechnet.

Noch vor Wochen hatte der US-Präsident seine Einschätzung wiederholt, es sei für ihn ein Leichtes, Handelskriege zu gewinnen. Jetzt muss er feststellen, dass Xi nicht bereit ist, einzulenken und den USA einen Abbau der hohen chinesischen Exportüberschüsse sowie den Verzicht auf missliebige Geschäftspraktiken ohne amerikanische Verabredungen zuzusagen. Festzuhalten ist daher: Es wird auf absehbare kein Arrangement im Wirtschaftskrieg zwischen den USA und der VR China geben. Im Gegenteil: Diese Auseinandersetzung wird weiter eskalieren und auf andere Nationalstaaten ausstrahlen. Die Immer wieder geäußerte Befürchtung von einer Verschärfung der Abwärtstendenz in der Globalökonomie ist eingetreten.

Trump begründet seine Attacke mit Verweis auf eine historische Mission: Er habe den Mut einen lang verschleppten Raub durch China zu beenden. »Unser Land hat über die Jahre aus eigener Blödheit Billionen Dollar an China verloren«, schrieb er – u.a., weil die Volksrepublik permanent US-Knowhow gestohlen habe. Die USA wären besser dran, wenn sie auf eine Zusammenarbeit mit der Volksrepublik verzichteten. »Unseren großartigen amerikanischen Unternehmen wird hiermit befohlen, umgehend mit der Suche nach Alternativen zu China zu beginnen«, erklärte Trump. Dass er zur Erteilung eines solchen Befehls gar nicht befugt ist, sagte er nicht. Die Regierung kann Unternehmen ihre Standortwahl zwar erschweren, jedoch nicht diktieren.

Damit eskaliert der Konflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt weiter. Schon jetzt leidet das Wachstum in den USA und China darunter, aber auch in stark exportorientierten Ländern wie Deutschland. Auch die Finanzmärkte sind hoch nervös. Trump, der Initiator dieses Abschwungs, hat bisher jegliche Verantwortung von sich gewiesen.

Ins Visier des US-Präsidenten geriet jetzt auch wieder die US-Notenbank. Trump attackierte seinen eigenen Notenbankchef zum wiederholten Mal hart. Die Notenbank Fed tue »wie üblich nichts«, um ihn zu unterstützen. Jay Powell und seine Kollegen riefen ihn nicht einmal an, um zu fragen, was er vorhabe. Das allerdings gehört auch nicht zu den Aufgaben der Notenbank und wäre extrem unüblich. Die Fed hatte Ende Juli erstmals seit 2008 ihren Leitzins gesenkt – auch wegen der Handelskonflikte. In einer Rede am Freitag versprach Powell, man werde die US-Wirtschaft im Notfall stützen, er vermied es jedoch ausdrücklich, konkrete Schritte anzukündigen. Auch machte er den Handelsstreit für die Abschwächung der Weltkonjunktur maßgeblich mitverantwortlich. Der Präsident ätzte daraufhin im Kurzmitteilungsdienst Twitter, er wisse nicht, »wer unser größerer Feind ist: Jay Powell oder der Vorsitzende Xi«.

Mit jeder weiteren Eskalation des Wirtschaftskriegs gefährdet der US-Präsident die fragile Wirtschaftskonjunktur. Die US-Wirtschaft befindet sich in einem Konjunkturzyklus, der mittlerweile bereits seit zehn Jahren andauert. Zuletzt mehrten sich jedoch Zeichen für langsameres Wachstum – auch wegen der von Trump angezettelten Handelskonflikte. Die Handelspolitik liege traditionell außerhalb der von der Zentralbank beobachteten Daten, im gegenwärtigen Klima seien deren Effekte auf die Wirtschaft jedoch zu berücksichtigen, erklärte Notenbankchef Powell. Die Berücksichtigung von »Unsicherheit durch Handelspolitik in diesem Rahmen ist eine neue Herausforderung«.

Powell betonte, das Wachstum der US-Wirtschaft sei weiter robust, es gäbe jedoch eine Verlangsamung und negative Einflüsse der globalen Wirtschaftslage. »Die Unsicherheit der Handelspolitik scheint in der globalen Abschwächung und den schwachen Produktions- und Kapitalausgaben in den USA eine Rolle zu spielen.« Während in den USA die Arbeitslosigkeit mit 3,7% noch immer nahe einem historischen Tief liegt und das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal immerhin noch 2,1% betrug, deuten gleichwohl zahlreiche wirtschaftliche Frühindikatoren darauf hin, dass die Konjunktur schwächelt und ein Abschwung droht.

Dazu gehören zum Beispiel die Inversion der Zinskurve, die einen Vertrauensrückgang an den Kreditmärkten signalisiert, und der Rückgang des Purchasing-Managers-Index, der eine Abwärtstendenz der Industrie andeutet. Für den Präsidenten ist diese Entwicklung bedrohlich. Die Wirtschaft ist eine der wenigen Politikfelder, in dem Trump auch außerhalb des eigenen Lagers punkten kann. Deshalb versucht der US-Präsident alles, um Rezessionsängste klein zu reden und einen Wirtschaftsabschwung zu verhindern. Beides dürfte ziemlich schwer werden, auch wenn der Präsident per Twitter noch selbstbewusst versicherte, die Wirtschaft sei »stark und gut«.

Donald Trump setzt auf eine rund laufende Konjunktur, um im kommenden Jahr als US-Präsident wiedergewählt zu werden. Angesichts äußerst niedriger Arbeitslosigkeit und jahrelangem Wirtschaftswachstum ist das nachvollziehbar. Der Haken dabei: Es sieht ganz danach aus, dass sich die US-Wirtschaft abschwächt – sogar eine Rezession ist möglich.

Für Trump ist das deshalb besonders problematisch, weil seine Beliebtheitswerte niedrig sind. Die derzeit recht gut laufende Konjunktur ist der wichtigste Grund dafür, dass sie nicht noch schwächer ausfallen. Der Präsident hat die gute Wirtschaftsentwicklung deshalb zum zentralen Argument für seine Wiederwahl gemacht. Nun muss er fürchten, dass sich Wähler*innen von ihm abwenden, die angesichts der guten wirtschaftlichen Lage bisher über Trumps aggressive Wortwahl und konfrontative Politik hinweggesehen haben.

Die globale Wirtschaft verliert an Dynamik, und das geht an den USA nicht spurlos vorüber. Für die sich abschwächende Konjunktur von Ländern wie Deutschland, Italien, Brasilien, Großbritannien oder China gibt es verschiedene Gründe – auch hausgemachte. Doch der von Trump angezettelte Handelskrieg mit China ist ein ganz wesentlicher Faktor. Er sorgt für rückläufige Nachfrage und dafür, dass die Zuversicht von Unternehmen sinkt. Als Konsequenz halten sie sich angesichts unschöner Aussichten mit Investitionen zurück – auch in den USA.

Trump reagiert darauf auf seine Art: Da er eine boomende Konjunktur als Kernargument für seine Wiederwahl ansieht, behauptet er, dass die Wirtschaft seinetwegen brummt – und, dass seine Gegner versuchen, sie abzuwürgen. Er wirft Medien vor, die Rezessionsgefahr aufzubauschen und den Schaden zu übertreiben, den der Handelskrieg mit China den USA zufügt. »Die Fake-News-Medien versuchen alles, um die Wirtschaft zum Crashen zu bringen.« Ihr Problem sei,»dass die Wirtschaft viel zu stark ist und wir in Kürze beim Handel haushoch gewinnen. Jeder weiß das, auch China«.

Daher greift Trump auch immer wieder die Politik US-Notenbank an. Trump wirft der Zentralbank vor, die Zinsen nicht kräftig genug zu senken. Als »inkompetent« hatte Trump die Notenbanker schon beschimpft. Die Fed, so twitterte der Präsident bereits zum Jahreswechsel, sei das »einzige Problem« der US-Wirtschaft. Seither verging kaum eine Woche, in der Trump nicht vehement auf deutliche Zinssenkungen der Notenbank gepocht hat. Er forderte aktuell die Fed zu einer Senkung des Leitzinses um einen Prozentpunkt auf.

Erst Ende Juli hatte Notenbankpräsident Powell den Leitzins um 0,25% herabgesetzt. Begleitet werden könne eine neue Senkung von weiteren Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft (»quantitative easing«), findet Trump. »Wenn das passieren würde, würde es unserer Wirtschaft noch besser gehen, und die Weltwirtschaft würde deutlich und schnell verbessert werden – gut für alle«, so sein Resümee auf Twitter.

Trump geht es einzig und allein darum, im kommenden Jahr wiedergewählt zu werden. Und so war es nur konsequent, als er jüngst bei einer Wahlkampfveranstaltung seine Gegner aufforderte, ihn trotz ihrer Abneigung zu wählen. »Ob Sie mich lieben oder mich hassen, Sie müssen mich wählen«, sagte Trump. »Ihre Altersvorsorge, alles geht sonst den Bach runter.«

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