11. Mai 2019 Joachim Bischoff: Systemkonfrontation mit Folgen für die Weltwirtschaft

USA verschärfen Handelskrieg mit China

Die USA haben trotz laufender Verhandlungen mit der Volksrepublik China eine Verschärfung und Ausweitung der Sonderzölle eingeleitet. US-Präsident Donald Trump, der den Handelskonflikt vor Monaten eröffnet hat, warf der Volksrepublik vor, Vereinbarungen gebrochen zu haben.

Über seinen bevorzugten Kommunikationskanal ließ er verlauten: »Das können sie nicht machen. Sie werden dafür zahlen.« Die USA würden nicht einknicken, deshalb wurden die Importzölle auf chinesische Produkte im Volumen von 200 Mrd. US-Dollar auf 25% erhöht.

Die Trump-Administration hat die politisch-ökonomischen Wirkungen der Zollerhöhung auf 25% nicht abgewartet. Die Strafzölle auf chinesischer Produkte umfassen 5.700 Warengruppen. Die Führung in Peking kündigte umgehend Gegenmaßnahmen an, ohne Details zu nennen.

Unbeschadet von dieser Eskalation wurden die geplanten Verhandlungen zur Lösung des Konflikts in Washington fortgeführt, die jedoch nach 90 Minuten ohne greifbares Ergebnis zu Ende ging. »Es waren konstruktive Diskussionen. Das ist alles, was ich sagen kann«, erklärte US-Finanzminister Steven Mnuchin. Der chinesische Verhandlungsführer Liu erklärt: »Die Verhandlungen sind nicht gescheitert. Im Gegenteil: Ich denke, kleine Rückschläge sind normal und unvermeidbar während der Verhandlungen beider Länder. Nach vorne blickend sind wir immer noch vorsichtig optimistisch.«

Nur kurz darauf verkündete der US-Handelsbeauftragte und Chefunterhändler Robert Lighthizer, seine Behörde sei von Trump angewiesen worden, die Zölle auch auf alle übrigen chinesischen Importe zu erhöhen, die bisher von solchen Maßnahmen noch nicht betroffen gewesen seien. Dabei gehe es um Waren im Wert von etwa 300 Mrd. US-Dollar Dollar, auch wenn eine endgültige Entscheidung noch nicht getroffen worden seien.

Bereits seit Juli 2018 sind die USA zur Politik der Eskalation des Konfliktes mit der VR China übergegangen. Vordergründig geht es der Trump-Administration um das beträchtliche Defizit der USA im Handel mit China. Die USA werfen der Volksrepublik unfaire Handelspraktiken und Beschränkungen für ausländische Unternehmen sowie Diebstahl geistigen Eigentums vor.

Umgekehrt klagt auch die Volksrepublik über Benachteiligungen. So darf der Telekomkonzern China Mobil nicht in den Vereinigten Staaten aktiv werden, was die zuständige Aufsichtsbehörde FCC mit Sicherheitsbedenken begründete. Das Außenministerium in Peking forderte die Vereinigten Staaten auf, marktwirtschaftliche Prinzipien zu respektieren und keinen »unzumutbaren Druck« aufzubauen.

Das Justizministerium in Washington hat Anklage gegen den Huawei-Konzern erhoben, der in seiner Branche Weltmarktführer ist und beim neuen Mobilfunkstandard 5G eine herausragende Rolle spielt. Die US-Regierung befürchtet nach eigenen Angaben, dass das Unternehmen chinesische Spionage ermöglichen könnte. Huawei weist dies zurück. Die USA haben zudem massiven Druck aufgebaut, damit sich auch andere kapitalistische Hauptländer der Politik der Benachteiligung von chinesischen Firmen im Hochtechnologie- und Telekommunikationsbereich anschließen.

Nicht klar ist bislang, ob dieser Konflikt im Rahmen eines Handelsabkommens gelöst werden könnte. Die »Schwierigkeiten« in den Verhandlungen bestehen wohl darin, dass China nicht bereit ist, den geforderten besseren Schutz amerikanischen geistigen Eigentums, die Beschränkung staatlicher chinesischer Subventionen und den Verzicht auf Währungsmanipulation über die Änderung von Gesetzen festzuschreiben. Stattdessen ist die die Partei- und Staatsführung nur bereit, die Probleme auf regulatorischer und administrativer Ebene anzugehen.

US-Präsident Trump lässt keine Beunruhigung über die Dimensionen des Konfliktes erkennen. Er erklärte auf Twitter, ob die erhöhten Sonderzölle wieder aufgehoben würden, »hängt davon ab, was in Bezug auf zukünftige Verhandlungen geschieht«. Es gäbe überhaupt keinen Grund zur Eile. »Zölle werden unser Land viel stärker machen, nicht schwächer. Lehnt euch einfach zurück und schaut zu!« Die Zölle brächten den USA mehr Wohlstand als ein traditionelles Handelsabkommen.

Chinas Chefunterhändler Liu He kritisierte die Zölle-Anhebung sei »keine gute Lösung« für die zu bewältigenden Probleme. Es sei »nicht gut für China, nicht gut für die USA und für den Rest der Welt«. Trotzdem äußerte er sich zuversichtlich: »Wir wollen einige der Differenzen ehrlich, zuversichtlich und rational lösen.« Die beiden Volkswirtschaften seien in gewissem Sinne Teil einer vollständigen industriellen Kette. »Und jedem wird geschadet.« Auch wenn es jetzt Probleme in den Verhandlungen gebe, sollten »nicht unschuldige Menschen darunter leiden«.

Die chinesische Regierung will die Eskalation allerdings nicht tatenlos hinnehmen. Der Sprecher des chinesischen Handelsministeriums sagte in Peking: »China bedauert zutiefst, dass es notwendige Gegenmaßnahmen ergreifen muss.« Einzelheiten nannte er nicht. Da die USA nicht so viel nach China exportieren wie umgekehrt, kann Peking nicht vergleichbar Vergeltung üben. Die USA exportierten 2018 Waren im Wert von 120 Mrd. US-Dollar nach China, die heute schon mit »Gegenzöllen« belegt sind. China lieferte für 539 Mrd. US-Dollar in die USA.


Handelskonflikt - oder Systemkonfrontation?

Bis vor kurzem schien eine Einigung im Handelskonflikt in greifbarer Nähe. Dann eskalierte der Konflikt über Formulierungen in einem Entwurf für ein Abkommen. In einem abgesprochenen Verhandlungsergebnis habe China systematisch Passagen gestrichen, die zu Kernforderungen der US-Seite gehören. Demnach löschten die chinesischen Unterhändler in jedem der sieben Kapitel Stellen, in denen Verpflichtungen zu Gesetzesänderungen festgeschrieben werden sollten – zu den Streitthemen Diebstahl geistigen Eigentums, erzwungener Technologie-Transfer, Wettbewerbspolitik, Zugang zu Finanzdienstleistungen und Währungsmanipulation.

US-Finanzminister Steven Mnuchin beklagte gegenüber Journalisten »substanzielle« Rückentwicklungen bei den jüngsten Gesprächen, wobei die Verhandlungen bereits zu 90% abgeschlossen seien. Fakt ist: Es geht nicht nur um das beträchtliche Handelsdefizit zulasten der USA. Das Handelsdefizit sank im März drastisch um 16,2% auf 20,7 Mrd. US-Dollar. So klein war die Lücke seit fünf Jahren nicht mehr. Die Importe aus dem Reich der Mitte verringerten sich um 6,1%, während die US-Ausfuhren nach China befeuert von einem Exportboom bei Sojabohnen um 23,6% in die Höhe schnellten.

Die Trump-Administration fordert zudem eine Lockerung der Restriktionen für ausländische Firmen und einen gleichberechtigten Marktzugang, also eine Öffnung des chinesischen Marktes für US-Unternehmen. Vor allem aber geht es bei der Zuspitzung um das Programm »Made in China 2025«, einem groß angelegten Projekt zur Förderung von industriellen Produkten und Verfahren.

Bei wichtigen Industriebranchen wie Autos und Zügen, im Flugzeugbau, der digitalisierten Produktion und in der Pharmaindustrie u.a. soll die Volksrepublik China zum Weltmarktführer aufrücken. Im Rahmen der »sozialistischen Marktwirtschaft chinesischer Prägung« sind solche Planvorgaben, untersetzt durch Vereinbarungen und Kredite üblich. Der Staat fördert, hilft mit Forschungsförderung, Entwicklungsbanken und eigene Fonds versorgen ausgewählte Branchen mit günstigen Krediten, auch für den Kauf ausländischer Konkurrenten.

Diese staatliche Industriepolitik stellt für die Trump-Administration eine grobe Verletzung der Wettbewerbsgleichheit dar und soll künftig durch eine Vereinbarung zwischen den USA und China zur »Bereinigung der Konfliktzonen« geklärt und unterbunden werden. Trump zufolge könnte auch der Streit zwischen der US-Regierung und den chinesischem Telekomausrüstern Huawei und ZTE Gegenstand des Abkommens sein.

In den Verhandlungen mit der Volksrepublik China wollen die USA deren nachholende Industrialisierung mindestens drosseln. Der Handelskrieg erscheint als Kampf einer bestehenden Großmacht mit einer aufstrebenden. Dem schrittweisen Abbau von Handelsbilanzüberschüssen wird der chinesische Partei- und Staatschef Xi Jinping entgegenkommen können. Aber dass sich China auf Strukturreformen und Kontrollmechanismen einlässt, die den USA ein Sonderrecht einräumen, ist unwahrscheinlich.

Es geht um die Stellung Chinas in der Welt, um die Vorherrschaft im Bereich der Technologie. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass die protektionistische Politik der USA zu einem neuen Aufschwung in der Produktivitäts- und Technologieentwicklung in den Vereinigten Staaten führt. Die USA mutieren durch die Handelskonflikte zu einer Ökonomie mit gewichtigen Zollmauern. Durch die Konfliktstrategie wird zudem die Entmachtung der WTO (Welthandelsorganisation) deutlich.

Die drohende Erhöhung der US-Zölle von 10% auf 25% würde aus dem Handelsstreit wohl endgültig einen Handelskrieg werden lassen. Steven Mnuchin hatte in einem Interview mit dem US-Sender Fox die Verhandlungsziele definiert: »Wir hoffen, das wir in den nächsten beiden Runden – zuerst in China und danach in Washington an den Punkt gelangen, wo wir dem US- Präsidenten empfehlen können: Wir haben den Deal. Oder, wo wir ihm sagen müssen: Wir haben ihn nicht.«

Chinas Staatschef Xi hatte zuletzt auf dem Pekinger Seidenstraßen-Gipfel einen Fünf Punkte-Reformkatalog für die beschleunigte Marktliberalisierung seines Landes vorgestellt. Washington verlangt nach konkreten Maßnahmen, um solche Reform-Versprechungen überprüfen zu können. Der US-Vorschlag, dass beide Staaten im jeweils anderen Land Vertretungen mit Kontrollrechten einrichten dürfen, stößt auf wenig Pekinger Gegenliebe. China sieht darin eine Verletzung seiner Souveränität.

Zudem verlangen die USA nach einem Deal, die Strafzölle nicht abzuschaffen, wie es China will, sondern sie nur auszusetzen, bis Peking seine Reformversprechungen verwirklicht. Ungeklärt sind auch Fragen nach dem Abbau der chinesischen Subventionierung von Staatsunternehmen, oder die von China geforderte Aufgabe seines beanspruchten Status als Entwicklungsland, der ihm Sonderregelungen verschafft.

Auch wenn Mnuchin zuletzt signalisierte, dass es den USA nicht mehr um »Alles oder Nichts« geht, sondern um die »Feinsteuerung« einiger weniger Punkte im bereits immer dicker werdenden Gesamtpaket des Deals, kommt nun vorerst statt eines erhofften Durchbruchs die Eskalation: Die Vereinigten Staaten erheben seit dem 10. Mai den angekündigten von 10% auf 25% erhöhten Zoll auf chinesische Güter. Ob doch noch eine Einigung zustande kommt, wird sich zeigen müssen.


Führen die sichtbaren Bremsspuren zu einer Erosion der Konjunktur?

Der Handelsstreit der beiden größten Wirtschaftsmächte nährt Befürchtungen vor einer weiteren Abschwächung der Weltkonjunktur. Trump sieht diese Gefahr nicht: »Zölle werden unserem Land weit mehr Reichtum bringen als selbst ein phänomenales Geschäft nach der traditionellen Art ... Wir werden weiter mit China verhandeln in der Hoffnung, dass sie nicht noch einmal versuchen, den Deal erneut anzutasten.« Bei diesem Kräftemessen setzt Trump darauf, dass die USA die Chinesen in die Knie zwingen könne, weil deren nachholende Ökonomie auf den Export angewiesen ist.

Chinas Exporte in die USA machen 3,2% des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus. Gemäß Berechnungen von Ökonomen haben die schon eingeführten Zölle Chinas Wirtschaftswachstum um 0,4% gebremst. Geschätzt wird, dass die neuen Handelshemmnisse das US-BIP im Jahr 2020 um 0,3% belasten werden, das von China um 0,8%. Ein Hochschaukeln im Zollkonflikt würde daher die Weltkonjunktur tangieren und könnte in eine globale Rezession münden.

Es gibt Anzeichen dafür, dass schon der bisherige Handelskonflikt Spuren in der Wirtschaftsentwicklung hinterlassen hat. Die Verschärfung des Handelsstreits wird eine weitere Abschwächung der Globalkonjunktur einleiten. Wir sind mit dem stärksten Rückgang des Welthandels seit rund zehn Jahren konfrontiert, als die Weltwirtschaft die Finanzkrise verdauen musste

Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht von negativen Rückwirkungen auf die Konjunktur aus: Das BIP der USA könnte um bis zu 0,6% geringer ausfallen und dasjenige Chinas um bis zu 1,5%. Vor allem die negative Entwicklung in der VR China könnte die Entwicklung der Weltkonjunktur beachtlich eintrüben lassen, denn das Land hatte im laufenden Jahr durch eine staatliche Stützung der heimischen Wirtschaft eine Stabilisierung der Wachstumsraten auf den Weg gebracht.

Präsident Trump behauptet angesichts der hohen Wachstumsrate, dass die bisherige Zollpolitik ein Grund für die großartige wirtschaftliche Entwicklung der USA sei, weil vor allem die Chinesen die Kosten tragen würden. Richtig ist daran die Beobachtung, dass sich die Zolleinnahmen für die USA erhöhen. Aber die eigentliche Belastung der Strafzölle und damit die gesellschaftlichen Kosten des Protektionismus müssen die amerikanischen Konsument*innen und Importeure tragen. Die Rückwirkungen auf diese Umschichtung in den Einkommens- und Nachfrageverhältnissen sind nicht unmittelbar sichtbar und die schleppende Produktivitätsentwicklung der US-Unternehmen erhält mit dieser Außenhandelspolitik keine neuen Impulse.

Die Trump-Administration will eine Veränderung der industriepolitischen Strategie der VR China erzwingen, also das Ende von »Made in China 2025«. Zu einem solchen Kurswechsel ist die chinesische Staats- und Parteiführung nicht bereit. Statt Gesetzesänderungen und der weitgehenden Marktöffnung für ausländische Unternehmen wollten die Chinesen durch politische Marktregulierung das Handelsdefizit absenken.

Die Sackgasse, in die Trumpsche Politik führt, kann nicht so einfach verlassen werden. Sicher ist, dass die chinesischen Gegenmaßnahmen für die USA keine große Herausforderung sind. Da die USA gar nicht so viel nach China exportieren wie umgekehrt, kann Peking nicht mit vergleichbaren Sonderzöllen entsprechenden Gegendruck schaffen.

Doch die Erwartung, die VR China müsste zu Kreuze kriechen, dürfte nicht erfüllt werden. Das Parteiorgan der regierenden Kommunistischen Partei Chinas kommentierte dieser Tage, die Volksrepublik werde sich »niemals dem maximalen Druck der US-Seite beugen und in Grundsatzfragen keine Kompromisse eingehen«.

Zurück