26. Mai 2019 Joachim Bischoff: Die USA beschädigt auch die Energieversorgung

Von Strafzöllen über Handelskonflikte zum Wirtschaftskrieg

Donald Trumps Strafzollattacken auf etliche Handelspartner, vor allem auf China, sind endgültig in eine Zerstörung der multilateralen Strukturen des Weltmarktes umgeschlagen. Mit der rigorosen Politik des »America first« will der US-Präsident die bisherige Vorherrschaft in Wirtschaft, Technik und Militär wiederherstellen bzw. noch ausbauen.

Dabei gerät auch Europa zunehmend zwischen die Fronten. Und selbst Japan gerät ins Visier der US-Administration. Trump will den beträchtlichen Überschuss Japans im Handel mit den USA abgebaut sehen. Japan habe seit längerem einen erheblichen Vorteil: »Ich würde sagen, dass Japan viele, viele Jahre lang einen substanziellen Vorteil genossen hat… Wir werden es ein kleines bisschen fairer machen«. Die Regierung in Washington prüft deshalb die Ausweitung von Importzöllen vor allem von Strafzöllen auf Autos. Japan war zudem vor den US-Sanktionen einer der Hauptabnehmer iranischen Öls. Im Gegensatz zu den USA unterhält Japan freundschaftliche Beziehungen mit dem Land am Golf.

Die US-Administration setzt Antidumping- und Ausgleichszöllen ein, um amerikanische Firmen und Branchen vor »unfairem« Handel zu schützen. Derzeit sind knapp 500 Zölle in unterschiedlicher Höhe gegen zahlreiche Länder in Kraft. Im Zentrum steht nicht mehr der freie Austausch über alle Grenzen hinweg und der Import billiger Produkte aus aller Welt, sondern der Schutz heimischer Jobs und Standorte. Strategische Handels- und Industriepolitik soll für gesellschaftliche Ruhe sorgen und innenpolitisch mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr Machtpositionen sichern (siehe hierzu auch den Beitrag Trump räumt Weltmarkt auf vom 20.5.2019).

Auch beim sich zuspitzenden Handelsstreit zwischen den USA und China geht es um weit mehr als um Zölle und das amerikanische Handelsbilanzdefizit. Der Konflikt ist Ausdruck einer grundlegenden tektonischen Verschiebung. China ist eine aufstrebende Supermacht mit nachholender Modernisierung. Die USA sehen ihre globale politische, wirtschaftliche und technologische Vormachtstellung gefährdet und suchen in einer harten Konfrontation mit Peking ihr Terrain zu behaupten. Das birgt Gefahren, nicht nur für den Welthandel.

Seit neuestem blockieren die USA auch Unternehmen und setzen eine Auflösung der globalen Wertschöpfungsketten durch. Die US-Regierung versucht den weltweiten Aufstieg des Herstellers von Mobiltelefonen und Netzwerkausrüstungen Huawei zu stoppen. Sie hat den Konzern und 68 Huawei-Tochtergesellschaften in 26 Ländern (darunter auch Deutschland und Schweiz), auf eine schwarze Liste gesetzt. Damit verbietet Washington amerikanischen Firmen, den chinesischen Konzern zu beliefern, es sei denn, die Lieferungen werden ausdrücklich bewilligt.

Die US-Zulieferer von Huawei wie die Chiphersteller Intel, Qualcomm, Xilinx und Broadcom haben bereits begonnen, ihre Geschäftsbeziehungen zu reduzieren. Und die Konzernmutter von Google, Alphabet, hat die Nutzung der Android-Software für den chinesischen Konzern eingeschränkt. Der Bannstrahl zieht globale Kreise, gab doch auch der deutsche Chip-Produzent Infineon bekannt, einige in den USA hergestellte Komponenten nicht mehr an Huawei zu liefern.

Ähnliches war zuvor schon einmal beim Telekom-Ausrüster ZTE durchexerziert worden. Grund des Banns waren Lieferungen mit US-Bezug zu Iran. Gegen Bezahlung einer Milliardenbusse kam ZTE von der Liste frei, wurde aber nach rund einem Jahr erneut gelistet wegen der Nichteinhaltung des mit der US-Regierung geschlossenen Vergleichs. Daraufhin drohte ZTE der Kollaps, was nach Interventionen Chinas den amerikanischen Präsidenten und US-Handelsminister Wilbur Ross im Juli 2018 veranlasste, den Bann aufzuheben. Mit seinem Vorgehen setzt sich Washington über die Doktrin der freien Marktwirtschaft hinweg.

Bereits in den letzten Jahren hatten die USA zur Durchsetzung von wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber einzelnen Ländern (z.B. Iran) Unternehmen mit einem Bann belegt. Jetzt werden die schwarzen Listen der Firmen ausweitet, mit denen man keine Geschäfte machen darf, wenn man in den USA noch wirtschaftlich aktiv sein will. Bislang standen auf dieser Liste vor allem russische Firmen. Das ändert sich jetzt, im Zentrum steht nun die Volksrepublik China. Wie in Zeiten des Kalten Krieges gegen den Ostblock arbeitet Amerika jetzt an der Abtrennung seiner Wirtschaft von China.

Diese Sanktionierungen von Unternehmen sind zerstörerisch. Die Komplexität von Liefer- und Wertschöpfungsketten ist enorm gewachsen, die Teilhabe einzelner Länder und ihr spezifischer Beitrag an Produktion und Distribution verändert sich ständig. Neben dem traditionellen bilateralen Außenhandel fertiger Produkte oder Rohstoffe, zeichnen sich die heutigen grenzübergreifenden Wertschöpfungsketten durch den weltweiten Austausch von Zwischen- oder Teilprodukten, Daten und Finanzströmen innerhalb global tätiger Unternehmen aus.

Wenn nun politischen Entscheidungen »unfaire« Strukturen ausmachen und intervenieren, werden die Ketten entflochten oder gar zerstört. Die nationalen Wettbewerbs- und Industriepolitiken sind nicht in der Lage, diesem Problem schnell und angemessen zu begegnen. Die vorhandenen rechtlichen Instrumente, die bei der Eindämmung unlauterer Handelspraktiken nützlich sein könnten, erfordern eine Weiterentwicklung der Welthandelsordnung.

Künftig will die US-Administration Zölle auch auf Importe aus Ländern verhängen, denen die USA Währungsmanipulation vorwerfen. Sie damit amerikanischen Firmen den Schaden ausgleichen, der entsteht, wenn ausländische Staaten ihre Produkte zu günstig anbieten, weil sie ihre Währung absichtlich schwach halten. Damit könnten diese Länder – so US-Handelsminister Ross – nicht länger ihre Währungen zum Schaden von US-Firmen und Arbeitern einsetzen. Sein Ministerium ließ jedoch offen, welche Kriterien herangezogen werden sollen, um festzustellen, ob ein Produkt wegen manipulierter Wechselkurse in den USA zu günstig angeboten werde.

Auf einer halbjährlichen Beobachtungsliste des Finanzministeriums werden unter anderem China, Japan, Südkorea, Indien, Deutschland und die Schweiz aufgeführt. Als Kriterien gelten Devisenmarktinterventionen, hohe Leistungsbilanzüberschüsse und hohe Handelsüberschüsse. China zum Beispiel wird seit langem vorgeworfen, den Yuan zum Dollar künstlich niedrig zu halten.

Washington vertraut – neben der Wirtschaftsstärke des eignen Landes – als wirkungsvollstem Instrument dem globalen Stellenwert der amerikanischen Währung, wenn es darum geht, Sanktionen durchzusetzen. Der Dollar wird weltweit für Zahlungen, Finanzierungen und Kapitalanlagen genutzt – Funktionen, die sich gegenseitig verstärken. Andere Staaten haben diesem Druck wenig entgegenzustellen. Und auch viele Unternehmen können es sich nicht leisten, den Zugang zum amerikanischen Markt zu verlieren.

Bereits seit den 1990er Jahren zielten die USA vermehrt darauf ab, andere Länder mithilfe von Sanktionen zu Verhaltensänderungen zu zwingen, unter Präsident Trump werden nun noch häufiger Wirtschaftssanktionen und Zölle eingesetzt, um Druck auf ausländische Regierungen auszuüben. Dabei wird weniger als früher auf Verbündete geachtet.

Dass der vermehrte Einsatz von Sanktionen und Zöllen abtrünnige Staaten stärker an die Kandare zu nehmen vermag, ist unstrittig. Kurzfristige Marktbewegungen sind das eine, das Verfolgen langfristiger Ziele – wie ein Regimewechsel oder eine Verhaltensänderung einer Regierung – etwas anderes. Auf jede Maßnahme folgt häufig eine Gegenmaßnahme.

Seit langem gibt es Pläne in Ländern wie Russland oder China, aber auch in der EU, die Position des Dollars zu schwächen. Alternative Zahlungssysteme werden immer wieder ins Auge gefasst. Die Amerikaner können derzeit darauf vertrauen, dass eine Ablösung des Dollars als Reservewährung durch den Yuan oder den Euro noch länger dauern wird. Manche Länder möchten Digitalwährungen einsetzen, um dem Einfluss der amerikanischen Sanktionen zu entkommen. Digitalen Blockadebrechern, die zumeist von einem autokratischen Staat lanciert werden, wird jedoch wenig Vertrauen entgegengebracht.

Fakt ist, dass die USA in einem kurzfristigen Kalkül weiter ihre Muskeln spielen lassen, ohne auf Verbündete zu achten. Letztlich geht es bei dieser Sanktionspolitik auch darum, den USA die Marktführerschaft auf einzelnen Märkten zu sichern. Deutlich wird das am Beispiel der Energiepolitik.

Dank Fracking sind die USA vom Energieimporteur zum Exportland von Öl und Gas geworden. Daraus hat sich ein Goldrausch entwickelt: Hunderte Milliarden Dollar werden investiert. Innerhalb weniger Jahre machten sich die USA unabhängig von Importen und schwingen sich jetzt auf, mit Flüssigerdgas (LNG – liquefied natural gas) den Weltmarkt zu erobern. »Wir haben den Wechsel von einer Ära des Energiebedarfs hin zu einer Ära des Energieüberschusses vollzogen«, argumentiert Barry Worthington, Direktor des US-Energieverbands USEA. »Wir werden der größte LNG-Exporteur der Welt.«

Die USA sind zudem dank des Fracking-Booms zum weltgrößten Ölproduzenten aufgestiegen, so die Internationale Energieagentur (IEA). 300 Milliarden Dollar beträgt die Gesamtsumme der laufenden oder geplanten Investitionen in Öl und Gas sowie in die verarbeitende Industrie allein in den US-Bundesstaaten Texas und Louisiana. In der gesamten Wertschöpfungskette der Branche könnten dadurch laut Schätzung des US-LNG-Verbands bis zu sechs Millionen Arbeitsplätze entstehen. Das resultierende jährliche Steueraufkommen läge bei 120 Milliarden Dollar. Dafür braucht es allerdings Importterminals in den Empfängerländern: In Europa gibt es derzeit acht, keiner davon in Deutschland. Für mögliche künftige Standorte sind vor allem Brunsbüttel und Wilhelmshaven im Gespräch.

Das Schiefer-Fracking hat die US-Öl- und Gasförderung an die Spitze der Energielieferanten vor Russland und Saudi-Arabien katapultiert. Mit ihren Fördermengen krempeln die USA den weltweiten Ölmarkt um. Zudem haben sie die Opec-Bemühungen um eine Stabilisierung des Marktes ausgebremst. Außerdem stehen der Iran, Venezuela, aber auch Russland wegen der jeweiligen Energieexporte unter scharfer Beobachtung.

Die größten Ölproduzenten

Der Ölpreis steigt seit Anfang des Jahres drastisch und erreichte zuletzt einen Wert von über 70 US-Dollar. Der Grund für den rasanten Anstieg: Es wird weniger Öl gefördert und exportiert. In immer mehr wichtigen Förderländern stagniert die Produktion – sei es in Venezuela, das in einer schweren politischen Krise steckt und dazu unter US-Sanktionen auf sein Ölgeschäft leidet, oder Libyen, wo ein Machtkampf zwischen Regierung und Rebellen tobt.

Dazu kommen die US-Sanktionen auf iranisches Öl, die seit November vergangenen Jahres gelten. Schon jetzt exportiert der Iran laut der Internationalen Energieagentur 1,7 Millionen Barrel Öl pro Tag weniger als noch im Mai 2018. Und US-Präsident Donald Trump verschärft die Sanktionen weiter: Kein einziges Fass Öl soll der Iran mehr exportieren können. Eine Ankündigung, die die Islamische Republik bereits mit einer Gegendrohung parierte: Sollte es soweit kommen, will sie die Straße von Hormus im Persischen Golf blockieren – eine der wichtigsten Routen für Ölexporte. Das würde den Ölpreis weiter befeuern.

Ausnahmeregelungen für die US-Sanktionen gab es bisher für die größten Importeure iranischen Öls: China, Indien, Südkorea und die Türkei. Doch auch diesen Schutz will Trump nun aufheben. Sollten die Länder weiterhin Öl aus dem Iran beziehen, drohen die USA diesen mit Strafmaßnahmen. Fällt nun aber auch der Iran als Öllieferant aus, dürfte das die Preise weiter in die Höhe treiben.

Länder, die von iranischem Öl abhängig sind, geraten damit unter Druck – etwa die Türkei, wo die Ölimporte aus dem Iran 12% ausmachen. Auch Indien käme in Schwierigkeiten, wenn die Lieferungen aus dem Iran ausbleiben, ist das Land doch drittgrößter Ölimporteur der Welt. China legte umgehend Protest ein, als Trump seine Entscheidung verkündete. Die Volksrepublik ist größter Abnehmer von iranischem Rohöl, das 6% Prozent ihrer Importe ausmacht.

Ersatzlieferanten sind derzeit allerdings rar. Dafür sorgt auch die Runde der »Opec+«-Staaten, die sich aus der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) und verbündeten Förderländern wie Russland zusammensetzt: Als Reaktion auf einen übersättigten Ölmarkt hatte Opec+ im Dezember vergangenen Jahres eine Förderkürzung beschlossen. 1,2 Millionen Barrel Öl pro Tag weniger wollen die Mitglieder fördern.

Damit stellt sich das Bündnis gegen den US-Präsidenten. Das Paradoxon: Durch seine Sanktionen auf iranisches Öl kürzt Trump die Ölförderung weiter – und spielt den Opec+-Mitgliedern damit in die Hände. Der Preisanstieg des Rohstoffs kommt vor allem Saudi-Arabien entgegen, dem Wortführer der Opec. Selbst im Besitz großer Ölvorkommen, freut sich das Land nun über steigende Einnahmen und zunehmende Marktmacht. Auch plant es langfristig den Börsengang des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco.

Ob die Ölproduktion langfristig gedrosselt bleibt, entscheidet sich im Juni, wenn sich das Opec+-Bündnis in Wien unter der Führung Russlands erneut trifft. Sollte der Mangel an Öl bis dahin dramatische Ausmaße annehmen, dürften die Förderquoten wieder erhöht werden – was den Aufwärtstrend des Ölpreises ein Ende bereiten würde.

Die politische Zuspitzung in einigen globalen Konfliktzonen muss in diese Auseinandersetzung vom Rohstoff- und Energielieferungen sowie Wertschöpfungsketten eingeordnet werden. China setzt auf iranisches Öl und hat deutlich signalisiert, dass es sich den US-Sanktionen gegen den Iran widersetzen wird – auch wenn es sich damit auf einen möglicherweise langwierigen Handelskrieg einlässt.

Mit »Protektionismus« ist die gegenwärtige Lage nicht beschrieben. Keiner Seite geht es darum, die Konkurrenten sich selbst zu überlassen. Sondern darum, sie zu nutzen. Es ist auch keine Rückkehr des ökonomischen Nationalismus, denn der war nie weg. Den freien Welthandel betrieben die ökonomischen Großmächte nie aus Uneigennützigkeit, sondern als Mittel für ihren nationalen Wohlstand. Es scheint, als könnten sie diesen Wohlstand heute nur noch gegen den Widerstand des Auslands sichern und mehren. Die Regierungen sammeln daher ihre Potenzen, um diesen Widerstand notfalls zu brechen. Das ist kriegsträchtig.

Heute ringen die Weltmächte nicht mehr nur um Marktanteile und Wettbewerbsfähigkeit, also um ihre Position in der Konkurrenz. Sie kämpfen um die Gestaltung der Konkurrenz selbst, um die Regeln des globalen Geschäftsverkehrs und um ihre Machtposition. Dabei sind sie bereit, Wertschöpfung zu opfern. Um ihre Dominanz zu sichern, stellen die Regierungen der USA und anderer Mächte kurzfristige Profitinteressen zurück und nutzen ihre Wirtschaftskraft so als Waffe. So praktizieren nicht die Weltmarktverlierer, sondern die Weltmarktgewinner eine Globalisierungskritik – von rechts, nicht im Namen der Klasse, sondern im Namen der Nation.

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