18. Juli 2024 Redaktion Sozialismus.de: Republikaner nominieren Trump zum Präsidentschaftskandidaten

Vor einer zweiten Amtszeit?

Zwei Tage nach dem Attentat auf Ex-US-Präsident Donald Trump wurde dieser beim Parteitag in Milwaukee offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner gekürt. Auch früher kritische Republikaner haben sich nach den Schüssen hinter ihm versammelt. Er erhält die Unterstützung durch frühere innerparteiliche Konkurrenten wie Ron DeSantis und Nikki Haley.

Der Kult um Trump hatte schon bisher grenzenlose Züge, jetzt als Überlebendem eines Attentats verdichtet sich bei seinen Anhänger*innen der Eindruck, es mit einem Märtyrer und Auserwählten zu tun zu haben. Ein Schuss traf Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung am Ohr, zahlreiche Sicherheitsleute wollten ihn so schnell wie möglich zu seinem Van begleiten, aber er hielt inne: »Wait, wait, wait«, ballte eine Faust und rief mit Blut bespritztem Gesicht seinen Anhänger*innen entgegen: »Kämpft, kämpft, kämpft!«

Trump ist politischer Profi und schlüpft in die durch das Attentat veränderte Rolle. So könnte es ihm gelingen, auch moderate Wähler*innen auf seine Seite zu ziehen. Der Republican National Convention, der Parteitag in Milwaukee, bietet die perfekte Bühne dazu, sich jetzt als moderater Staatsmann zu geben. Er kann die Wahlen nicht allein mit seiner Stammwählerschaft gewinnen, sondern muss weitere Wähler*innen auf seine Seite ziehen.

Viele Kampagnen-Expert*innen halten die Wahl für bereit entschieden. Denn Trump nutze seinen Instinkt, die Bilder mit seinen Gesten und Worte als »ikonisches Moment« einzusetzen, was wahrscheinlich wahlentscheidend sei. Wenn Trump im November gewählt werde, sei das der Moment gewesen, an dem »er schlussendlich auch Präsident geworden ist«.

Attentate auf Präsidenten oder prominente Politiker*innen bleiben – vor allem in den USA – stark im kollektiven Bewusstsein verankert. Denn eine Gefährdung der Personen erscheint auch als eine Gefährdung des Gemeinwesens und des Staates, fast das gesamte Land versammelt sich in der Regel um sie. Die US-Amerikaner*innen sprechen von einem »Rally ’round the Flag«-Effekt. Ein nationales Trauma führt zu Geschlossenheit. Die Frage ist, ob das nun auch für den Ex-Präsidenten einer nicht zuletzt durch seine Politik gespaltenen US-Nation gilt.

Trump wird alles daransetzen, ins Weiße Haus zurückzukehren. Er wurde in Milwaukee offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der republikanischen Partei gekürt und nutzt die Einigkeit auf dem Parteitag als Startrampe. Der Politikwissenschafter Ian Bremmer sagte auf CNN, Trump werde nach dem Anschlag vor seinen Anhänger*innen als Heilsbringer der Nation auftauchen. Dass Trump noch einmal Präsident wird, hielten viele Kommentatoren nach seiner ersten Amtszeit für ausgeschlossen. Nun ist er Opfer und Held zugleich.

Zudem hat er angedeutet, eher versöhnlichere Töne anzuschlagen und hat angeblich seine Rede nach der Nominierung in Milwaukee komplett umgeschrieben. Ob das zutrifft, bleibt abzuwarten. Aber erste Wirkungen zeigen sich bereits. Die einstige parteiinterne Konkurrentin Nikki Haley richtet sich in ihrer Rede beim Parteitag an Trump-Skeptiker. »Wir sollten anerkennen, dass es einige Amerikaner gibt, die nicht zu hundert Prozent mit Donald Trump übereinstimmen. Ich kenne zufällig einige von ihnen, und ich möchte heute Abend zu ihnen sprechen.« Sie sei eine von ihnen, sagt die einstige Gouverneurin des US-Bundesstaats South Carolina. »Ich bin heute Abend hier, weil wir ein Land zu retten haben, und eine geeinte Republikanische Partei ist unerlässlich, um es zu retten.«

»Ich war nicht immer einer Meinung mit Präsident Trump. Aber wir sind uns viel häufiger einig als uneinig. Wir sind uns einig, dass Amerika stark bleiben muss. [...] Und wir sind uns einig, dass die Demokraten so weit nach links gerückt sind, dass sie unsere Freiheiten gefährden.«


Harte Haltung bei Einwanderungspolitik

Der frühere innerparteiliche Konkurrent Vivek Ramaswamy bringt den Übergang auf die Formel: »Wenn Sie die Grenze abriegeln wollen, wählen Sie Trump. Wenn Sie Recht und Ordnung wiederherstellen wollen, wählen Sie Trump. Wenn Sie unsere Wirtschaft wieder ankurbeln wollen, wählen Sie Trump. Wenn Sie den Nationalstolz wiederbeleben wollen, wählen Sie Trump. Wenn Sie Amerika wieder groß machen wollen, wählen Sie Trump.«

Die zentralen Themen des Wahlkampfes und die beabsichtigte Veränderung der Politik sind damit auf dem Parteitag in Milwaukee dank demonstrativer Geschlossenheit und Einigkeit bereits deutlich gemacht: Kriminalität und illegale Einwanderung. Trump hat die Migrationspolitik zu seinem zentralen Wahlkampfthema erklärt. Im Parteiprogramm ist wiederholt von »Migranten-Invasion« die Rede, und davon, dass die Republikaner die größte Abschiebewelle der amerikanischen Geschichte planen.

»Wir sind mit einer Invasion an unserer Südgrenze konfrontiert. 11,5 Millionen Menschen haben unsere Grenze illegal überquert während der Biden-Regierung«, beklagt Ted Cruz, Senator aus Texas, was ihm jubelnde Zustimmung der Delegierten einbrachte: »Stopp Bidens border bloodshed« – stoppt Bidens Blutvergießen an der Grenze – steht auf den blau-weiß-roten Schildern, die sie hochhielten. Zudem wollen die Republikaner auch mit dem Thema Inflation punkten. Immer wieder behaupten Redner wie Ron DeSantis, Gouverneur in Florida, dass das Leben während Trumps Amtszeit deutlich billiger war.

Im Zentrum bleibt jedoch Einwanderung und Kriminalität. »Wir können nicht überleben bei dieser Zunahme von Gewalt, Kriminalität und Drogen, die die Politik der Demokraten in unsere Gemeinden gebracht hat«, so der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson. Kari Lake aus Arizona, die im November in den Senat gewählt werden möchte, macht die Einwanderungspolitik der Biden-Regierung für den Drogenschmuggel in die USA und die Fentanylkrise im Land verantwortlich: »Wir werden von Kriminellen und tödlichen Drogen überschwemmt, und unsere Kinder sterben.« sagt sie. Dagegen gebe es einfache Lösung: »Baut die Mauer!«

Und auch Dimensionen einer neuen Außen- und Bündnispolitik werden deutlich. Trump gibt sich mit Blick auf US-Unterstützung für Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs zurückhaltend. »Ich denke, Taiwan sollte uns für die Verteidigung bezahlen. Wir sind nichts anderes als eine Versicherungsgesellschaft. Taiwan gibt uns nichts«, sagte Trump der Agentur Bloomberg auf die Frage, ob er Taiwan gegen China verteidigen würde. Unter einem erneuten Präsidenten Trump dürfte sich die internationale Arena weiter stark verändern. Die absehbaren Konturen einer »Trump 2.0«-Außenpolitik könnten dazu führen, dass die USA ihre Rolle als Sicherheitsgarant für Europa aufgeben.

Einig sind sich die Republikaner zwar in ihrer Ablehnung der Klimakooperation und des Freihandels, aber in anderen außenpolitischen Fragen, darunter die Sicherheit Europas und die Ukraine, sind sie noch in drei Lager gespalten:  diejenigen, die auf eine Fortsetzung der US-Vorherrschaft setzen, andere, die dem Indo-Pazifik Vorrang vor Europa einräumen wollen und schließlich diejenigen, die wollen, dass sich die USA sich insgesamt weniger engagiert.

Im Kongress und im Washingtoner Establishment sind nach wie vor die traditionellen Bündnispolitiker*innen dominant, die an der Führungsrolle und der dafür notwendigen globalen Militärpräsenz festhalten wollen. Zu ihnen gehören Senatoren wie Mitch McConnell aus Kentucky, Mitt Romney aus Utah, Lindsey Graham aus South Carolina, James Risch aus Idaho und Nikki Haley. Sie befürworten den Verbleib der USA in der NATO, ein fortgesetztes militärisches Engagement in Europa und die Fortsetzung der Unterstützung für die Ukraine.

Die Kritiker*innen dieser Ausrichtung, die überwiegend in der republikanischen Basis und im »Freedom Caucus«, einer Untergruppe der Republikaner im Repräsentantenhaus, vertreten sind, fordern im Gegensatz dazu einen radikalen Abbau der amerikanischen Sicherheitszusammenarbeit in der Ukraine und Europa und wollen die Rolle der USA in der NATO auf das absolute Minimum reduzieren. Schließlich haben die Vertreter einer harten Politik gegenüber China an Gewicht gewonnen, darunter die Senatoren J.D. Vance aus Ohio und Josh Hawley aus Missouri sowie der Gouverneur von Florida und Ron DeSantis. Sie vertreten die Ansicht, dass sich die ußenpolitik stark auf Asien und China konzentrieren soll.

Der bisherige Verlauf der republikanischen Wahlkampagne deutet daraufhin, dass die Kritiker der traditionellen Bündnispolitik und die Befürworter einer Konzentration auf die Eindämmung Chinas näher am Puls der republikanischen Wähler*innen sind. Wenngleich US-Wahlen in der Regel nicht aufgrund von außenpolitischen Fragen entschieden werden, darf man nicht vergessen, dass bei den Präsidentschaftswahlen 2016 eine starke Korrelation zwischen der Quote der US-Gefallenen in Irak und Afghanistan und der Unterstützung für Trump in wichtigen Swing States festzustellen war.

Mit anderen Worten: Ein Sieg in Bundesstaaten wie Pennsylvania, Michigan und Wisconsin setzt auch voraus, die Stimmen der Veteranen und ihrer Familien zu gewinnen, die dem militärischen Engagement der USA in Europa und im Nahen Osten zutiefst skeptisch gegenüberstehen.

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