27. Mai 2023 Björn Radke: Widerstände gegen das Gebäudeenergiegesetz

Wärmewende blockiert?

Die Ampel-Regierung hatte in einer 30-stündigen Koalitionsausschusssitzung Ende März beschlossen, einen Entwurf eines Gebäudeenergiegesetzes vor der Sommerpause in den Bundestag und damit in das parlamentarische Verfahren einzubringen.

Der Entwurf wurde dann im Kabinett mit Zustimmung auch der FDP-geführten Ministerien verabschiedet, wenn auch – sehr ungewöhnlich – mit einer Protokollerklärung. Der FDP-Chef Christian Lindner verlangte darin eine »praxistaugliche und finanzierbare« Umsetzung des Grundsatzes der Technologieoffenheit.

Mit der Entscheidung der FDP, die Einbringung des Gebäudeenergiegesetzes in den parlamentarischen Beratungsprozess zu blockieren, ist eine weitere Stufe der Zerreisprobe der Ampel-Koalition erreicht. »Das ist eine so große Baustelle, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass wir in dieser Sitzungswoche, geschweige denn vor der Sommerpause da ein Ergebnis erzielen können«, erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Der Entwurf von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck enthalte »unfassbar viele Fehler […] Hier brauchen wir ein neues Gesetz im Prinzip, die Debatten um punktuelle Verbesserungen sind nicht hilfreich

Die FDP plädiert für einen neuen Zeitplan, es sei ausreichend, wenn der Entwurf im Oktober verabschiedet werde. Das Heizungsgesetz könne nach Ansicht der FDP trotz der Verzögerung im Bundestag noch im kommenden Jahr greifen. Dagegen spricht Wirtschaftsminister Robert Habeck vom »Wortbruch des Koalitionspartners« und bezog sich auf die Vereinbarungen des Koalitionsausschusses Ende März. »Da steht klar drin: Wir wollen diesen Prozess vor der parlamentarischen Sommerpause abgeschlossen haben. Das wird jetzt mit der Verschiebung nicht mehr möglich sein.«

Die SPD spielt den Konflikt herunter. Fraktionschef Rolf Mützenich will sich Habecks Vorwurf nicht zu eigen machen, die FDP habe wegen der Verzögerungen beim Heizungsgesetz »Wortbruch« begangen. »Ob das ein Wortbruch ist, das würde ich so nicht sehen, sondern am Ende kommt es bei der Bewertung darauf an, ob wir das Gesetz im Deutschen Bundestag beschließen.«

Fakt ist: Die FDP blockiert die zügige Beratung. Die Fraktion dringt auf ein komplett neues Heizungsgesetz und will über den bestehenden Entwurf nicht, wie geplant, im Bundestag verhandeln. »Die Frage ist: Ist es jetzt schon in dem Status, dass der Bundestag in aller Breite darüber beraten kann? Und das sehe ich derzeit noch nicht«, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr.

Die »Fortschritts-Koalition« hat sich vorgenommen, mit dem jahrelangen Verschleppen einer durchgreifenden energetischen Sanierung des Gebäudebestandes durch die CDU-geführten Bundesregierungen aufzuräumen. Die Mehrheit der Heizungen, vor allem in den Jahren zwischen 1950 bis 1970 eingebaut, ist ein schwerwiegendes Hindernis im Prozess der Dekarbonisierung, und gefährdet das Ziel, bis 2045 in Deutschland die Klimaneutralität zu erreichen. Über ein Drittel des Energieverbrauchs geht hier auf das Konto der Gebäudeheizungen. Entsprechend hoch ist der CO2-Ausstoß, denn die Versorgung beruht vor allem auf Erdgas und Erdöl. Kaum eine andere europäische Industrienation ist im Wärmesektor so abhängig von fossilen Energien wie Deutschland.

Der Gesetzentwurf von Robert Habeck und Klara Geywitz (Ministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen) sieht vor, dass von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65% mit Öko-Energie betrieben wird. Das soll für alle Eigentümer*innen bis zum Alter von 80 Jahren gelten. Bestehende Öl- und Gasheizungen können weiter betrieben und defekte auch repariert werden.

Das Gesetz gilt als zentraler Baustein des Vorhabens, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Der Umstieg soll laut Wirtschaftsministerium durch Förderungen sozial abgefedert werden. Der durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verstärkte Preisanstieg für fossile Energie veranlasste die Ampel-Koalition, den Start des Projekts der Wärme- und Energiewende auf 2024 vorzuziehen.

Der Widerstand gegen diesen Reformschritt wurde befördert durch die BILD-Zeitung mit der Schlagzeile: »Heizungs-Hammer: Der Heiz-Hammer von Robert Habeck (53, Grüne) ist beschlossene Sache! Das Bundeskabinett stimmte heute Vormittag dem umstrittenen Gesetz zum Heizungsverbot zu.« Die Desinformation wurde durch weitere Medien und die politische Opposition verstärkt. Die federführenden Ministerien konnten die ausgelöste Verunsicherung über die möglichen Kosten für einen Großteil der Bevölkerung nicht mehr auffangen. Tenor der Berichterstattung, der »Der Heiz-Hammer […] regt nicht nur Millionen Bundesbürger auf – sondern auch viele Unternehmer und Verbände!«

Der Koalitionspartner FDP und die Opposition von CDU/CSU wollen jetzt das angelaufene Gesetzesprojekt vertagen. Konsequenz: Die Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor ist in Gefahr. Ohne Erneuerbare-Wärme-Gesetz wird der notwendige Schub bei Sanierungen und Heizungsumstellungen nicht gelingen.

Mit der Kampagne »Fair Heizen« wird das gesamte Reformprojekt »Wärmewende« diskreditiert. Politiker*innen von CDU und CSU überbieten sich mit Schreckensbotschaften über die Umbaukosten, die Hauseigentümer vermeintlich aufzubringen hätten. Dass schon im Entwurf der Ampel Koalition soziale Ausgleichsmaßnahmen und Härtefallregelungen vorgesehen sind, wird in der medialen Diskussion unterschlagen.

Dass die Umstellung von fossilen Heizungen auf effiziente Wärmepumpen funktionieren kann, zeigen andere europäische Länder, wie zum Beispiel Dänemark, wo die Neuinstallation von Öl- und Gasheizungen bereits seit Jahren verboten ist. In Skandinavien werden schon lange Gebäude mit Wärmepumpen beheizt und Fernwärmenetze mit Großwärmepumpen betrieben, ergänzt mit Abwärme-, Biomasse- und Erdwärme-Nutzung.

Die Menschen sind von dem heftigen politischen Streit um das Heizungsgesetz der Ampel-Bundesregierung stark verunsichert. Das CO₂-Sparen im Gebäudesektor wird gebremst statt vorangebracht. Die Nachfrage nach Erdgasheizungen boomt, und sogar die Ölheizung erlebt ein Revival. Angesichts der perspektivisch steigenden Kosten für fossile Energie und der anwachsenden CO₂-Preise ist die Entscheidung, heute noch in Öl- und Gasheizungen zu investieren, vorschnell. Denn steigt der CO₂-Preis in den nächsten Jahren – wie von vielen Expert*innen erwartet – auf über 100 Euro pro Tonne, kann es sein, dass über die Laufzeit einer neuen fossilen Heizung von 20 bis 25 Jahren eine fünfstellige Summe zusammenkommt.

Wenn der verengte Blick auf die Wärmepumpe aufgegeben wird, kann die Debatte um die Ausgestaltung des Gebäudeenergiegesetzes zwar die zeitliche Verzögerung nicht aufheben, aber versachlichen. Der Chef der Berliner Energieagentur Michael Geißler rät zu Optionen bei der klimaneutralen Transformation der Gesellschaft, und empfiehlt kommunale Lösungen, wo immer es möglich ist. Das Wohnquartier ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Umsetzung der Wärmewende. Denn nicht jedes einzelne Gebäude und nicht jede Immobilie kann die Klimaziele alleine erreichen. Es ist oftmals leichter und wirtschaftlicher, eine Lösung für eine Gruppe von Gebäuden zu finden.

Der Ausbau hängt von örtlichen Gegebenheiten und dem zukünftigen Energiebedarf der Häuser ab. Ein Ausbau erfordert sicherlich gewichtige Investitionen, daher ist eine genaue Planung wichtig – und hier beginnt die kommunale Wärmeplanung. Sie muss und wird eine entscheidende Rolle dabei spielen, ob die Wärmewende umfassend und vor allem sozialverträglich umgesetzt kann. Denn die kommunalen Wärmepläne zeigen auf der Grundlage von Bestands- und Potenzialanalysen, wie das Netz bestmöglich ausgebaut werden kann. Sie schaffen damit eine belastbare Grundlage für die Planung und geben Planungssicherheit für die an der Wärmewende beteiligten Akteure.

Der Klimaforscher Ottmar Edenhofer fordert angesichts der verfahrenen Situation einen »Neustart«. Er plädiert dafür, dass die Bundesregierung ihr umstrittenes Heizungsgesetz aufgibt und spricht sich stattdessen dafür aus, bei der Wärmewende mit Ausstoßgrenzen zu arbeiten und auf eine Steuerung über den CO₂-Preis zu setzen. »Den nationalen Emissionshandel mit Emissionsobergrenzen sofort arbeiten zu lassen, ist klüger als die Verbots- und Gebotspolitik.« Im Brennstoffemissionshandel-Gesetz (BEHG) könne eine Obergrenze für Emissionen festgelegt werden, die das Heizen mit Gas schrittweise, aber deutlich verteuere. Damit könnte der Preisanstieg gedeckelt werden.

Bei diesem Vorschlag von Edenhofer bleibt jedoch offen, in welchen Zeiträumen dieser Weg zum Ziel der Abkehr von den fossilen Energieträgern führt, ganz zu schweigen davon, wie die Summe der ansteigenden Preise für fossile Energie und CO₂-Preis sozial ausgewogen zu stemmen ist.

Bei aller Kritik an dem Projekt der Umsetzung der Energiewende und der unzureichenden Kommunikation ist festzuhalten: Auch ein Neustart wird die gesellschaftliche Verwirrung nicht auflösen. Wenn die bundesdeutsche Gesellschaft eine kosteneffiziente und unverzichtbare Klimawende durchsetzen will, muss das bisherige Tempo der Emissionsreduzierungen massiv beschleunigt werden. Zugleich ist das Fiasko des Gebäudeenergiegesetzes ein Lehrstück dafür, dass Reformschritte eine kluge begleitende Kommunikationsstrategie benötigen, wenn der Großteil der Bevölkerung eingebunden werden soll.

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