23. März 2024 Andrew Fisher: Nach Owen Jones’ Parteiaustritt

Warum ich in der Labour Party bleibe

Vor fast 20 Jahren begann ein junger Mann voller Energie, eloquent und mit rascher Auffassungsgabe im Büro des Labour-Abgeordneten John McDonnell zu arbeiten, damals Hinterbänkler und Vorsitzender der Socialist Campaign Group. Am 21. März ist mein guter Freund Owen Jones aus der Labour Party ausgetreten.

Owen Jones ist einer der bekanntesten britischen Youtuber, Autoren und politischen Aktivisten. Jetzt hat er eine neue Initiative ins Leben gerufen: We Deserve Better.[1] Er will Geld sammeln, um bei der anstehenden Parlamentswahl Kandidat*innen der Grünen, der Unabhängigen und der Labour Party zu unterstützen, die sich für eine umverteilende Besteuerung, ausreichend finanzierte öffentliche Dienstleistungen, öffentliches Eigentum an wichtigen Versorgungseinrichtungen und gegen Kriegsverbrechen einsetzen.

Seine innerparteilichen Kritiker werden seinen Abgang zweifellos begrüßen. Ich werde mich ihm nicht anschließen, aber ich wünsche ihm alles Gute. Wir haben mehr gemeinsam als uns trennt – und die Sozialist*innen, die in der Labour Party verbleiben, können von seinem Schritt durchaus profitieren.

Owens Argument, dass, wenn sich die Linke nicht zusammentut, der einzige Druck auf Labour von der »migrantenfeindlichen, reiche Leute anbetenden Rechten« kommen wird, ist sehr logisch.[2] Wenn man sich den Effekt ansieht, den die UK Independence Party (UKIP) auf die Konservativen hatte – als Anziehungspunkt, der die Tories nach rechts zieht – dann ist dies ein Versuch, etwas Ähnliches zu tun, aber von links. Jones zufolge unterstützt die Mehrheit der Bevölkerung laut Meinungsumfragen linke politische Positionen – von öffentlichem Eigentum an Wasser und Energie[3] über einen Waffenstillstand in Gaza[4] bis hin zum Widerstand gegen die Fortsetzung der Austeritätspolitik.

Die Mitgliederzahl der Labour Party ist seit 2020 zurückgegangen – etwa 300.000 haben die Partei verlassen, während 100.000 neu eingetreten sind. Diese 300.000 ehemaligen Mitglieder sind eine potenzielle Aktivistenbasis ohne Projekt. Es ist ein mutiger Versuch von Jones, sie zu organisieren und zu mobilisieren.

Warum bleibe ich dann in der Partei? Hier geht es um die Frage, wie das Verhältnis von Parteiorganisation und Mitgliedschaft zu bewerten ist. Die Partei ist kein Fanclub von Keir Starmer. Wäre sie das, würde ich austreten. In den fast 28 Jahren meiner Mitgliedschaft habe ich jeden Vorsitzenden kritisiert und war – zumindest zeitweise – mit ihrer Politik nicht einverstanden. Aber wie ich in meinen Kolumnen und Tweets in letzter Zeit oft gesagt habe: Starmer entsetzt mich mit seiner Zaghaftigkeit, seiner Unehrlichkeit und seiner zutiefst unangemessenen Politik.

Die Labour Party sagt in ihrem Statut immer noch, sie sei eine »demokratische sozialistische Partei«. Ich bin ein demokratischer Sozialist. Es ist die Partei, die von der Gewerkschaftsbewegung gegründet wurde, deren Gewerkschaften noch immer mehr als 3,5 Millionen Beschäftigte vertreten. Ich bin Gewerkschafter.

Die Labour Party ist in den letzten Jahren zwar nach rechts gerückt, steht aber, wenn sie sich mal programmatisch äußert, immer noch etwas weiter links als unter Miliband, Brown oder Blair. Vor der Ära Corbyn muss man bis in die Zeit des früh verstorbenen Parteivorsitzenden John Smith Anfang der 1990er-Jahre zurückgehen, um ein derartiges Engagement für die Rechte der Beschäftigten zu finden, wie es 2021 von Andy McDonald ausgearbeitet worden war,[5] bevor er als letzter Linker im Fraktionsvorstand seinen Posten als arbeitspolitischer Sprecher räumen musste. Diese Position wird noch immer von Angela Rayner, der von der Parteibasis gewählten stellvertretenden Parteivorsitzenden, verfochten. Dasselbe gilt auch für das Engagement für die Re-Regulierung von Bahnen und Bussen in öffentlichem Eigentum – was bereits von einigen progressiven Labour-Bürgermeistern umgesetzt wird.

Zum Teil bleibe ich auch aus reiner Sturheit dabei. Dieselbe Fraktion, die jetzt die Partei führt, hat 2015 versucht, mich auszuschließen, kurz nachdem ich angefangen hatte, für den damaligen Labour-Chef Jeremy Corbyn zu arbeiten. Warum sollte ich ihnen die Genugtuung geben? Es ist auch meine Partei.

Aber eines der größten Probleme mit Starmers Führung ist die diktatorische Top-Down-Kultur, die er und seine Apparatschiks durchgesetzt haben – ein Punkt, den Owen gut trifft. Die Labour Party ist weit von einer pluralistischen Partei – der broad church – entfernt, die sie unter den Parteivorsitzenden Clement Attlee und Harold Wilson in den Nachkriegsjahren bis in die 1970er-Jahre hinein war.

Wie ich kürzlich geschrieben habe, sind die Disziplinarverfahren der Labour Party parteiisch und kommen einer Farce gleich. Der kenntnisreiche Journalist Michael Crick hat gesagt, dass die Verfahren zur Auswahl der Kandidat*innen für Parlamentsmandate in der Labour Party »unfair sind und an Korruption grenzen«. Ich weiß das nur zu gut: Die Metropolitan Police ermittelt derzeit wegen angeblichen Betrugs in meiner eigenen Wahlkreisorganisation.[6]

Keine Clique, die sich an ihrer eigenen Macht berauscht, wird lange überleben – und wenn sie mit einer so fadenscheinigen Politik wie dem derzeitigen Angebot in die Regierung kommt, wird sie sich entweder schnell etwas Besseres einfallen lassen müssen oder aus dem Amt gedrängt werden. Die Linke in der Partei kann und sollte bereit sein, sich zu behaupten.

Niemand von uns kann mit Sicherheit wissen, was die Zukunft bringt – genauso wenig wie die meisten Menschen vorausgesehen haben, dass die Linke 2015 die Führung der Labour Party gewinnen würde. Für den Moment wünsche ich meinem Freund und ehemaligen Kollegen alles Gute, denn wir sind uns einig, dass wir etwas Besseres verdient haben, auch wenn wir unterschiedliche Wege verfolgen, um dorthin zu gelangen.

Anmerkungen:

[1] Owen Jones: I quit Labour after 24 years. This is the alternative, Owen Jones Talks, 21.3.2024; https://www.youtube.com/watch?v=fxBEaJWJNJk
[2] Owen Jones: The Labour party is in my blood. Here’s why I’ve just cancelled my membership, The Guardian, 21.3.2024; https://www.theguardian.com/commentisfree/2024/mar/21/labour-party-cancelling-membership-policies
[3] Fintan Smith, Jemma Conner: Most Britons believe that trains, water and energy should sit within the public sector, YouGov, 19.10.2022; https://yougov.co.uk/politics/articles/44086-most-britons-believe-trains-water-and-energy-shoul
[4] Matthew Smith: British attitudes to the Israel-Gaza conflict, YouGov, 15.2.2024; https://yougov.co.uk/politics/articles/48675-british-attitudes-to-the-israel-gaza-conflict-february-2024-update
[5] Andy McDonald: Our new deal for working people will deliver rights and strengthen unions, Labour List, 27.7.2021; https://labourlist.org/2021/07/our-new-deal-for-working-people-will-deliver-rights-and-strengthen-unions/
[6] Scotland Yard’s cyber crime unit investigating Croydon Labour, Inside Croydon, 18.3.2024; https://insidecroydon.com/2024/03/18/scotland-yards-cyber-crime-unit-investigating-croydon-labour/

Andrew Fisher ist freiberuflicher politischer Analyst und Kolumnist. Von 2016 bis 2019 war er Leiter der Grundsatzabteilung (Executive Director of Policy & Research) der Labour Party. In Sozialismus.de 11-2023 schrieb er zusammen mit John McDonnell über die »Die Aufgaben einer künftigen Labour-Regierung. Bestandsaufnahme des Erbes langjähriger Austeritätspolitik«. Der hier dokumentierte Beitrag erschien zuerst am 21.3.2024 unter dem Titel Why I will not follow Owen Jones and leave the Labour Party in seiner Kolumne in der Londoner Tageszeitung The i (i-news) (Übersetzung: Hinrich Kuhls).

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