3. Februar 2014 Mario Kessler: Zum Tod von Pete Seeger (1919-2014)

We Shall Overcome!

Mit Bruce Springsteen bei Barack Obamas Amtseinführung 2009

Am 27. Januar 2014 verstarb in New York der US-amerikanische Gitarrist, Banjo-Spieler und Sänger Pete Seeger. Er war einer der wichtigsten Komponisten und Interpreten der Folk-Musik, die er als eigenständige Gattung weltweit popularisierte. Als lebenslang politisch aktiver Linker half er, die im Zeitalter der Rassentrennung oft nur formale bürgerliche Demokratie in den USA mit durchzusetzen. Doch gab er sich niemals damit zufrieden, sondern trat als Sozialist für eine Gesellschaft der Freiheit, Chancengleichheit und sozialen Gerechtigkeit ein.

Geboren wurde Peter Ellis Seeger, der sich Pete nannte, am 3. Mai 1919 in New York in einem musikalischen und politisch linksorientierten Elternhaus. Als Schüler brachte er sich die Instrumentaltechnik an der Gitarre, am Banjo und an der Ukulele bei.

1936 trat er der Young Communist League, dem Kommunistischen Jugendverband, und 1942 der Kommunistischen Partei der USA bei. Zur Jahreswende 1956-57 stellte er seine Beitragszahlungen an die Partei ein, ohne dies aber öffentlich zu machen, da er dem Antikommunismus keine Zugeständnisse machen wollte. Später räumte er selbstkritisch seine gegenüber dem Sowjetkommunismus lange zu unkritische Haltung ein.

Er studierte kurz in Harvard, wollte Journalist werden, brach aber das Studium ab und wurde professioneller Musiker. Im Jahre 1941 gründete er die Almanac Singers, der auch die schwarzen Bluesmusiker Sonny Terrie und Brownie McGee angehörten. Er heiratete 1943 Toshi Aline geb. Ohta, die bis zu ihrem Tod 2013 alle Höhen und Tiefen seines Lebens mit ihm teilte. Das erste Kind des Paares starb kurz nach der Geburt.

Drei weitere Kinder und vier Enkel aber fühlen sich noch heute dem Erbe Pete Seegers verpflichtet. Im Zweiten Weltkrieg war er als Flugzeugmechaniker tätig und sang im Rahmen der Truppenbetreuung. Neben den Auftritten schrieb Seeger 1948 das Lehrbuch »How to Play the Five-String Banjo«.

Er gründete in Nachfolge der Almanac Singers The Weavers, die er nach Gerhart Hauptmanns Stück »Die Weber« benannte. Mit dem von Leadbelly geschriebenen Song »Goodnight Irene« waren The Weavers 1950 für dreizehn Wochen an der Spitze der US-Charts. 1946 wirkte Seeger im Spielfilm »To Hear Your Banjo Play« und ein Jahr darauf an der Produktion des Folk Musicals »Dark of the Moon« mit. Seit 1950 war er Mitherausgeber des Musikmagazins »Sing Out!«.

Seegers bis dahin bruchlose Laufbahn wurde 1955 jäh gestoppt. Am 18. August des Jahres musste er vor dem House Un-American Activities Committee, dem berüchtigten McCarthy-Ausschuss, aussagen, auch wenn dessen inoffizieller Namensgeber politisch soeben entmachtet worden war. Seeger weigerte sich, Namen zu nennen und andere zu belasten, was zu einem Ermittlungsverfahren und zum Boykott der großen Rundfunk- und Fernsehanstalten gegen ihn führte.

Er zahlte diesen Preis, blieb unbeugsam und hielt sich finanziell auch mit Musikunterricht an verschiedenen Schulen und Summer Camps über Wasser. Sein Freund Moses Asch, Sohn des sozialistischen Schriftstellers Schalom Asch, der 1948 die Schallplattenfirma Folkways Records gegründet hatte, produzierte Seegers Platten, nachdem ihm die großen Firmen die Verträge aufgekündigt hatten.

Das Folk Revival der frühen 1960er Jahre befreite Pete Seeger aus seiner Isolation. Schon 1959 war er mit Theodore Bikel Organisator des ersten Newport Folk Festivals. Er wurde zum Mentor von Bob Dylan und Joan Baez auf deren Wegen zur Weltkarriere. Nun brachten ihm Songs wie »Where Have all the Floweds Gone«, unter anderem von Marlene Dietrich interpretiert, »Kisses Sweeter Than Wine« und »If I Had a Hammer« in der Version von Peter, Paul & Mary und Trini Lopez sowie das von den Byrds zum Welthit gebrachte »Turn, Turn, Turn« Ruhm, Anerkennung und – erst spät – finanzielle Sicherheit ein.

Das bekannteste Lied wurde und blieb jedoch sein 1948 geschriebenes »We Shall Overcome«, das auf einem alten Gospel-Song basiert und zur Hymne der afroamerikanischen  Bürgerrechtsbewegung wurde.

Doch die reaktionären Kräfte ließen nicht locker: Das 1957 gegen Seeger wegen angeblich »subversiver Aktivitäten« in Gang gebrachte Ermittlungsverfahren endete 1961 mit einer Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis, nachdem ihm 13 Haftjahre angedroht worden waren. In Haft wurde er endgültig zur Stimme der Bürgerrechtskämpfe in den USA.

Nach seiner Freilassung sang er auf zahlreichen Meetings der sich formierenden afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und gehörte zu den ersten Amerikanern, die den sich zum Völkermord steigernden Vietnamkrieg anprangerten. Damit erschöpfte sich seine Arbeit nicht: Schon seit 1966 war er in der Umweltschutzbewegung aktiv.

Einstmals geächtet, wurde er wegen seiner Leistung und unkorrumpierbaren Haltung schließlich auch vom »Mainstream« geachtet. So erhielt er 1993 den Grammy Lifetime Achievement Award. Im Jahre 2007 produzierte Jim Brown die dann mehrmals im Fernsehen ausgestrahlte Filmdokumentation »Pete Seeger: The Power of a Song«.

Am 18. Januar 2009 sang Seeger bei Barack Obamas Amtseinführung gemeinsam mit Bruce Springsteen Woody Guthries Lied »This Land Is Your Land«. Springsteen würdigte 2006 sein erklärtes Vorbild in seinem Album »We Shall Overcome: The Seeger Sessions«.

Am 3. Mai 2009 traten zu Seegers 90. Geburtstag im New Yorker Madison Square Garden unter anderem John Mellencamp, Roger McGinn, Joan Baez, Emmylou Harris, Richie Havens, Tom Paxton und Arlo Guthrie auf und interpretierten seine Lieder.

Am 21. Oktober 2011 nahm der 92-Jährige am Solidaritätsmarsch der Bewegung Occupy Wall Street zum Columbus Circle in New York teil und trat dort nochmals als Sänger auf. Am 21. September 2013 gab er sein letztes Konzert in Saratoga Springs. Er blieb ein unerschütterlicher Optimist. »Der Schlüssel zur Zukunft der Welt«, sagte er 1994, »liegt gerade darin, optimistische Geschichten zu finden und zu vermitteln.«

Prof. Dr. Mario Keßler ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für zeithistosche Forschung Potsdam und war von August 2013 bis Januar 2014 Gastprofessor an der Yeshiva University, New York. Ein ausführlicher Nachruf auf Pete Seeger erscheint in der März-Ausgabe 2014 der Zeitschrift »Sozialismus«.

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