10. November 2017 Joachim Bischoff

Weltmächte – USA und China am Scheideweg

Foto: Donald J. Trump und Xi Jinping bei einem Gespräch im Rahmen von G20 am 8. Juli in Hamburg.

US-Präsident Trump hat während des Wahlkampfes und in den ersten Monaten seiner Amtszeit die VR China bei wirtschaftspolitischen Themen heftig attackiert. Trumps Vorwurf: China sei der größte Währungs-Manipulant in der Geschichte der Menschheit und habe die internationalen Handelsabkommen und die globalen Verabredungen zum Klimaschutz zu wirtschaftlichen Vorteilen missbraucht.

Die Chinesen hätten in der Konsequenz Millionen Jobs in den USA gestohlen. Daher müsse man durch Neuverhandlungen aller Handelsabkommen zu einer Änderung der Kräfteverhältnisse kommen. Barack Obama wollte die Präsenz der USA in Asien stärken. Ein Instrument sollte die Transpazifische Partnerschaft, TPP, sein. Eine der ersten Amtshandlungen von Donald Trump war die Aufkündigung dieses Abkommens.

Die chinesische Staats- und Parteiführung hatte diesen Rückzug wenig kommentiert, zugleich aber allen protektionistischen Überlegungen eine Absage erteilt und sich für eine weitere Öffnung der Märkte ausgesprochen. China wolle transparente regionale Freihandelszonen aufbauen, vorrangig gehe es um die beiden Projekte »Regional Comprehensive Economic Partnership« (RCEP) und das asiatisch-pazifische Freihandelsabkommen (FTAAP). Im Fokus stehen der Abbau von Zöllen und die Liberalisierung von Dienstleistungen. Die bereits ausgehandelten Details gehen bei Standards für die Rechte von ArbeitnehmerInnen und für den Umweltschutz jedoch nicht so weit, wie es bei TPP vorgesehen war.

Bei dem jüngsten Staatsbesuch von Trump in China trat diese politische Konfrontation in den Hintergrund. Der US-Präsident lobte den chinesischen Gastgeber in den höchsten Tönen. Trump zeigte sich sicher, dass er und Xi Jinping die Probleme dieser Welt würden lösen können. Der US-Präsident zeigte darüber hinaus Verständnis für die chinesische Wirtschaftspolitik. Er mache den Chinesen wegen des »nicht nachhaltigen Handelsbilanzüberschusses« keinen Vorwurf. Die chinesische Führung hätte vielmehr versucht, das Beste für ihr Volk herauszuholen. Die Fehler hätten vielmehr seine Vorgänger gemacht, die das Problem nicht gesehen und die Einseitigkeit nicht gestoppt hätten.

Zudem prangerte Trump an, dass amerikanische Firmen ihre Technologien im Rahmen von Joint Ventures preisgeben müssten, um Zugang zum riesigen chinesischen Markt zu erhalten. Trump monierte darüber hinaus die unzureichende Einhaltung zum Schutze des geistigen Eigentums sowie die Frage der Reziprozität im Handel. Die westliche Welt stelle sich zunehmend die Frage, weshalb chinesische (Staats-)Firmen im Ausland ungehindert auf Einkaufstour gehen dürfen, während Peking dieses Recht Investoren aus anderen Ländern nicht einräume. Trump zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass beide Länder es schaffen werden, die Handelsbeziehungen künftig »fair« auszugestalten.

Xi Jinping blieb deutlich zurückhaltender als Trump. Er wiederholte die beim 19. Kongress der Kommunistischen Partei gemachten Versprechen und betonte, China werde sich weiter öffnen und wolle ausländischen Investoren die gleichen Rechte einräumen wie chinesischen Firmen. Allerdings vergaß er nicht zu betonen, welche Bedeutung der chinesische Markt inzwischen für amerikanische Firmen hat. So haben die Exporte der USA nach China nach dem Beitritt zur Welthandelsorganisation 2001 um 500% zugelegt. Die amerikanischen Ausfuhren in den Rest der Welt haben sich in diesem Zeitraum dagegen nur um 90% erhöht. Davon profitiert auch die amerikanische Industrie: General Motors hat im vergangenen Jahr annähernd vier Mio. Fahrzeuge in China verkauft. Und Boeing setzte in den letzten fünf Jahren mehr Flugzeuge in dem asiatischen Land ab als am Heimatmarkt.

Trotz dieser weiter bestehenden Differenzen in der Handelspolitik haben US-Unternehmen beim Besuch von Präsident Donald Trump in China Geschäfte über mehr als 250 Mrd. US-Dollar verabredet. Milliardenschwere Abkommen sind bei solchen Staatsbesuchen durchaus üblich. Sie werden aber oft in nicht bindenden Verträgen verpackt. So beträgt allein bei Boeing das Volumen für die Bestellung von 300 Flugzeugen laut Listenpreis 37 Mrd. US-Dollar. Experten zufolge ist aber unklar, um wie viele Neuaufträge es geht. Qualcomm unterzeichnete Vorverträge mit drei chinesischen Handybauern über 12 Mrd. US-Dollar. Generell Electric zog Aufträge in Höhe von 3,5 Mrd. US-Dollar an Land. Experten sehen die große Summe (von 250 Mrd. US-Dollar) etwas skeptisch. Es dürfte sich überwiegend um Absichtserklärungen handeln.

 

China will in US-Gasprojekte investieren

Dennoch sind diese Erklärungen wichtig. Das größte Volumen macht eine fast 84 Mrd. US-Dollar schwere Absichtserklärung für ein Investment des Konzerns China Energy über einen Zeitraum von 20 Jahren in die Schiefergas-Förderung und in Chemiefabrik-Projekte in West Virginia aus. Der US-Bundesstaat hatte bei der Wahl 2016 mit deutlicher Mehrheit für Trump gestimmt. Zudem beteiligt sich China am Ausbau der Flüssiggas-Industrie in Alaska. Diese Vereinbarung sieht ein Investitionsvolumen von 43 Mrd. US-Dollar vor und soll bis zu 12.000 Jobs in den USA schaffen.

Trump dürfte die Mega-Deals als Beleg dafür verkaufen, wie stark er den Handel mit China zugunsten der USA umkrempelt. Mit diesem Deal soll deutlich werden, dass es nicht mehr angeht, sich mit unfairen Mitteln Vorteile auf dem Weltmarkt zu verschaffen – etwa über Dumpingpreise bei Stahl-Exporten und den Diebstahl geistigen Eigentums. Im Oktober verkauften chinesische Firmen nach Daten des Statistikamtes 8,3% mehr Produkte in die USA. Zugleich stiegen die Einfuhren um 4,3%. Das führte zu einem Handelsüberschuss von 26,62 Mrd. US-Dollar – weniger als im September, aber mehr als vor Jahresfrist.

Fakt ist: Trump mag sich als großer Dealmaker inszenieren, es gibt bislang keine strukturelle Änderungen. Donald Trump ist kein Freund von Freihandel. Doch wer gehofft hat, das Handeln eines Präsidenten Trump werde sich klar von der populistischen Rhetorik des Politikers Trump unterscheiden, ist einer Illusion aufgesessen. Trump hat die bereits ausgehandelte und unterschriebene, aber vom US-Kongress noch nicht verabschiedete Transpazifische Partnerschaft (TPP) aufgekündigt. Auch das seit zwanzig Jahren bestehende Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) wird neuverhandelt. Mit einem protektionistischen Amerika gerät der freie Handel von Gütern, Dienstleistungen, Investitionen und Technologien mehr und mehr in die Defensive.

Trump legitimiert seine Haltung gegenüber dem Freihandel mit der Strategie »America first«: Er wird nur noch bilaterale Handelsabkommen abschließen, die »gerecht« sind, sprich: Jobs zurück nach Amerika holen. Dabei verkennt er die wahre Stärke von freiem Handel gänzlich. Freihandel steigert den Wohlstand Amerikas, unabhängig davon, wo die Güter, die amerikanische Verbraucher konsumieren, produziert werden. Eine Abschottung der USA, um ineffiziente amerikanische Firmen und Branchen vor der ausländischen Konkurrenz zu schützen und so die dortigen Arbeitsplätze zu erhalten, wird die amerikanischen BürgerInnen im Gegenteil Wohlstand kosten.

Die Rolle Amerikas in der Welt hatte sich schon vor Trump verändert. Die Vereinigten Staaten sind nicht mehr alleinige global Hegemonialmacht. Interpretiert man Trumps Strategie »America first« als Versuch, den Niedergang der USA zu stoppen und umzukehren, [1] muss man nach fast einem Jahr konstatieren: die Konzeption ist nicht erfolgreich. Präsident Trump hat mit seiner Personalpolitik und mit über 800 Rechtsverordnungen den Regierungsapparat in Washington drastisch eingeschränkt. Das betrifft den Umwelt- und den Verbraucherschutz, auch die Finanzmarktregulierung und die Neubesetzungen am obersten Gericht des Landes und der Notenbank. In der Gesetzgebung hat Trump bisher kein größeres Vorhaben durchgesetzt. Ebenso wie die Gesetzesentwürfe der Republikaner für die Krankenversicherung bieten auch ihre Steuerpläne zur großen Steuersenkung wenig für die sich abmühenden Haushalte der Mittel- und unteren Schichten. Auch die Steuerreform könnte im Senat scheitern.

 

US-amerikanische Außenpolitik

Der amerikanische Präsident Donald Trump spricht zwar laufend von Amerikas Größe. Aber er selbst betreibt keine Rekonstruktion der liberal-kapitalistischen Weltordnung des amerikanischen Zeitalters. Die USA-Gesellschaft kann nicht mehr den politischen Willen mobilisieren, eine Weltordnung zu behaupten und für wichtige Probleme der Weltpolitik Lösungen durchzusetzen. Ganz in der Logik des »America first« haben sich die Vereinigten Staaten Amerika von dem Geschäft der Verbreitung demokratischer Werte verabschiedet. Künftig geht es nicht mehr um »Nation Building« – also den Versuch, in Afghanistan oder anderswo eine Demokratie nach amerikanischem Vorbild zu schaffen. Zu lange – so Trump - habe man sich in der amerikanischen Außenpolitik darauf konzentriert, Staaten nach amerikanischem Ideal wiederaufzubauen, anstatt die Sicherheitsinteressen der Nation zu verteidigen. Der Präsident umschrieb Amerikas Mission mit unmissverständlicher Klarheit: »We are killing terrorists.«

Faktisch akzeptiert die US-Administration die internationale Handelsordnung nicht mehr. Washington lehnt es ab, sich zur WHO zu bekennen. Stattdessen besteht Finanzminister Steven Mnuchin beim Treffen der G20-Finanzminister für die USA auf einem »freien, fairen und ausgewogenen Handel«. Zudem hat Mnuchin klargestellt, dass die USA zwar keinen Handelskrieg wollten, aber gewisse Handelsbeziehungen überprüft werden müssten.

 

Ein »fairer« Handel ist möglich

China agiert erstmals seit Jahrzehnten einer nachholenden Modernisierung auf »Augenhöhe« mit Amerika. Für die Europäische Union heißt das: Die transatlantische Zusammenarbeit, aber auch die mit Chinas Nachbarn in Ost- und Südostasien sollte ausgeweitet und vertieft werden. Europa ist aufgefordert, auf eine Konstellation hinzuarbeiten, in der die Staaten unabhängig von den USA mit China auf Augenhöhe bleiben. Die Globalökonomie weist verstärkt Ungleichgewichte auf. Die sogenannte Globalisierung stellt fast alles in Frage, einschließlich des so lange befriedeten europäischen Staatensystems der Nachkriegszeit. Auch in der europäischen Gemeinschaft könnten Risiken gemischt und Erträge intern sozial gerecht verteilt werden – vorausgesetzt, dass internationaler Wettbewerb durch ein System der Ausgleichungen ergänzt und die innerstaatlichen Macht- und Verfassungsverhältnisse, also auch die politischen Willensverhältnisse, dies zulassen.

Zumindest letzteres ist in der EU nicht gegeben, aber auch nicht in den USA und China.
Es ist möglich, die Handels- Wirtschaftsbeziehungen »fair« zu gestalten. Ein Handelsbilanzdefizit ist kein Problem, sondern ein Symptom des Problems. Es besteht darin, dass ein Land zu wenig spart und – abgesehen von dem Problem natürlicher Ressourcen – Mühe hat, den Anschluss an die weltweite Produktivitäts- und Wohlstandsentwicklung zu halten. Über ein internationales System der »Ausgleichungen« könnten die Ungleichgewichte eingehegt werden. Solche gesamtwirtschaftlichen Korrekturen, die das ändern würden, erfolgen jedoch nicht über Nacht.



[1] Vgl. dazu Bischoff, Donald Trump – ein Präsident mit Risiko. Die USA zwischen Niedergang der Demokratie und dem Umsturz der Weltordnung, Hamburg 2017.

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