31. März 2023 Redaktion Sozialismus.de | VSA: Verlag

Wir trauern um den Kollegen Otto König (6.9.1945–31.3.2023)

Foto: Anja Pielorz

Unser langjähriger Mitstreiter und Freund Otto König ist heute im Alter von 77 Jahren verstorben. Unserem Publikationsprojekt »Sozialismus.de« war er als Mitherausgeber, Mitarbeiter und Organisator des »Forum Gewerkschaften«, durch gemeinsam mit Richard Detje verfasste Beiträge auf dieser Website und dem VSA: Verlag als Autor und Förderer verbunden.

Otto war seit seiner Lehre zum Fernmeldemonteur Mitglied der IG Metall und blieb bis zu seinem Tod ein politisch engagierter Gewerkschafter, immer engagiert für seine Kolleg*innen während seiner Zeit als Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Hattingen, später Hattingen-Gevelsberg, von 1980 bis 2010. Während dieser Zeit gehörte er auch dem ehrenamtlichen Vorstand der IG Metall und zeitweilig dem DGB-Bundesausschuss an.

Geboren im September 1945 in Großenhain in Sachsen, zog Ottos Mutter mit ihm im Alter von sechs Wochen nach Neustadt an der Weinstraße um, wo er aufwuchs. Er absolvierte bei Standard Elektrik Lorenz (SEL) in Mannheim seine Ausbildung. 1970 wurde er Betriebsratsvorsitzender bei Telefonbau und Normalzeit in Neustadt an der Weinstraße. Ab 1971 arbeitete Otto hauptamtlich im IG Metall Bildungszentrum Sprockhövel, wo er als pädagogischer Mitarbeiter Jugendvertreter, Betriebsräte und Vertrauensleute ausbildete, bis er 1980 Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Hattingen wurde.

Sein Engagement als Betriebsratsvorsitzender, Mitarbeiter in der Bildungsarbeit der IG Metall und die 30 Jahre als IG Metall-Bevollmächtigter hatten einen gesellschaftlichen Hintergrund: Mit der Weltwirtschaftskrise 1974/75 ging das »Golden Age« des Kapitalismus im Zeitalter der Systemkonkurrenz – des Gegensatzes von Kapitalismus und Sozialismus im Weltmaßstab – zu Ende.

Ottos Wirken in der IG Metall ist vor allem mit dem Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen insbesondere in der Stahlindustrie verbunden. Er hat später die verschiedenen Auseinandersetzungen – Erfolge und Niederlagen zugleich – um Widerstand, alternative Konzepte und Perspektiven von Betrieben und einer ganzen Region in seinen 2012 im VSA: Verlag erschienenen Erinnerungen mit dem Titel »Band der Solidarität« aufgeschrieben. Darin hat er zugleich seine eigene gewerkschaftspolitische Entwicklung vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Prozesse skizziert.

»Den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Folge des Strukturwandels im Ruhrgebiet und an den Werftenstandorten an der Küste sowie die Auswirkungen der mikroelektronischen Revolution nutzten die Arbeitgeber zur Verschärfung ihres Konfrontationskurses gegen die Gewerkschaften mit dem Ziel einer grundlegenden Revision der tarif- und sozialpolitischen Errungenschaften. ›Die Arbeitskämpfe in der Stahlindustrie in den 80er Jahren sowie die Auseinandersetzungen um die 35-Stunden Woche (1984) und die nachfolgenden Bewegungen gegen den AFG 116 (1986) waren Höhe- und zugleich Endpunkte eines Kampfzyklus […] der Gewerkschaften‹. (Frank Deppe)

In Debatten der betrieblichen und hauptamtlichen Funktionäre im IG Metall-Bezirk teilten viele die Auffassung, dass der Strukturwandel nicht nur mit sozialpolitischen Maßnahmen flankiert werden sollte. Wir brauchten eine aktive Industrie-, Beschäftigungs- und Strukturpolitik. In den von uns initiierten strukturpolitischen Seminaren für die Hauptamtlichen waren wir uns mehrheitlich einig, dass die betrieblichen und regionalen Umstrukturierungsprozesse eine gesellschaftliche Steuerung erforderte, um soziale und strukturelle Verwerfungen in den Regionen zu verhindern.

Daraus resultierte: Die IG Metall musste sich eigenständig in die Politik einmischen und durfte sich nicht in das Schlepptau der vorherrschenden Regierungspolitik begeben. Viele uns von verstanden Gewerkschaften als autonome und solidarische Interessen-vertretungen mit eigenem Gestaltungsanspruch. Die breit getragenen Auseinandersetzungen um den Erhalt der Stahlstandorte vom Siegerland über Hattingen bis nach Rheinhausen stimmten mich optimistisch, dass es gelingen könnte, diese Veränderungen nicht nur einzuleiten, sondern auch zu vollziehen.«

Daraus resultierte für Otto zudem eine Selbstverpflichtung zu einer begleitenden politisch-theoretischen Diskussion. »Als Plattform für inhaltliche Debattenbeiträge bot sich die Zeitschrift ›Sozialismus‹ an. So kamen wir mit dem Redakteur Richard Detje am Rande des 5. Wolfgang-Abendroth-Forums Ende April im Nürnberger Gewerkschaftshaus überein, in der Zeitschrift einen Schwerpunkt ›Gewerkschaften einzurichten. Mit dem ›Forum Gewerkschaften‹, das in der Juni-Ausgabe 1990 mit dem Abdruck von Artikeln, Berichten und Kommentaren begann, trugen wir in den darauffolgenden Jahren zur Intensivierung der gewerkschaftspolitischen Debatte in den verschiedenen thematischen und organisationspolitischen Bereichen bei.«

Ottos Engagement für das »Forum Gewerkschaften« wurde nach seinem Ausscheiden als Bevollmächtigter 2010 noch intensiver und hielt bis in die jüngste Zeit an. Noch in der soeben erschienenen Ausgabe vom April 2023 hatte er gemeinsam mit Richard Detje den Beitrag »Gute Arbeit im Krisenjahrzehnt. Einblicke des DGB Index Gute Arbeit in die Wahrnehmung der Arbeitsgesellschaft« verfasst. In Zukunft werden wir auf seine Erfahrungen und Argumente verzichten müssen.

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