6. August 2019 Joachim Bischoff: Handelskrieg zwischen USA und China

»Wir werden China höllenmäßig besteuern«

Foto: Michael Vadon/flickr.com (CC BY 2.0)

Im Wirtschaftskonflikt mit China dreht Amerikas Präsident Trump weiter an der Eskalationsschraube. Trump kündigt den Waffenstillstand auf, den er mit seinem Amtskollegen Xi Jinping erst Ende Juni beim G20-Gipfel geschlossen hatte.

Trump bleibt also bei der Politik des Drucks, nachdem seine Unterhändler Robert Lighthizer und Steven Mnuchin ohne Verhandlungsfortschritte aus China zurückgekehrt waren. Die jüngsten Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten und China um ein Handelsabkommen waren in Shanghai offenbar ohne Ergebnis zu Ende gegangen.

Der Handelskrieg zwischen den beiden Staaten bestimmt die wirtschaftlich-politischen Beziehungen bereits seit über einem Jahr. Auslöser war ursprünglich das Handelsbilanzdefizit: China exportiert weit mehr in die USA als umgekehrt. Trump forderte daraufhin eine Beseitigung von Marktschranken, kritisierte die Verletzung von Urheberrechten und den zwangsweisen Technologietransfer bei in China tätigen US-Unternehmen sowie staatliche Subventionen für chinesische Staatskonzerne. Ende Juni hatten sich Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Rande des G20-Gipfels der großen Wirtschaftsnationen in Osaka in Japan auf einen »Waffenstillstand« in ihrem Handelskrieg und eine Wiederaufnahme der Gespräche geeinigt.

Der Handelskrieg und die damit einhergehende Unsicherheit zieht die Weltwirtschaft nach unten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Prognose für das globale Wachstum deswegen jüngst erneut gesenkt. Und Uno-Generalsekretär António Guterres verweist auf die gefährlichen Perspektiven: Ohne einen Kurs der Verständigung drohe die Herausbildung zweier globaler Blöcke – »jeweils mit einer eigenen dominanten Währung, eigenen Handels- und Finanzregelungen, ihrem eigenen Internet ... und gegensätzlichen geopolitischen und militärischen Ansichten«.

Die neue Stufe der Eskalation: Trump hat neue Zölle von 10% auf chinesische Warenimporte im Wert von rund 300 Mrd. US-Dollar angekündigt. Chinas Außenminister Wang Yi kritisierte diese neuen Strafzölle: »Eine Erhöhung der Zölle ist definitiv keine konstruktive Maßnahme zur Lösung der Wirtschafts- und Handelsspannungen, keine korrekte Maßnahme.« Die chinesische Regierung droht angesichts der von Trump angekündigten weiteren Strafzölle auf Waren aus der Volksrepublik mit Gegenmaßnahmen. Man wolle keinen Handelskrieg. Komme es aber zu einem, habe man keine Scheu, ihn auszufechten. China werde sich niemals erpressen lassen. Zugleich wurde an die USA appelliert, gemeinsam nach einer Lösung der Handelsfragen zu suchen. Zollerhöhungen seien weder im Interesse Amerikas noch von China und dem Rest der Welt.

Und China hat auf die Ankündigung neuer Strafzölle von US-Präsident Donald Trump reagiert. Die chinesische Zentralbank (PBoC) hat die chinesische Währung abgewertet. Der Schritt der People’s Bank of China, den Wechselkurs des Yuan gegenüber dem US-Dollar nicht länger zu stützen, ist ein klares Signal Pekings an Washington: Chinas Machthaber haben offensichtlich ihre Hoffnung auf eine Lösung im Handelskonflikt verloren. Ein US-Dollar kostete zeitweise mehr als sieben Yuan (siehe Abbildung) – das machte die chinesische Währung Renminbi so günstig wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Die Korrektur begann, nachdem die chinesische Zentralbank (PBoC) den täglichen Referenzkurs zum Dollar auf einem schwächeren Niveau als 6,90 Yuan festgesetzt hatte.

Trump unterstreicht, die neu verhängten Strafzölle könnten weiter angehoben oder wieder gestrichen werden, alles hänge vom Verlauf der weiteren Verhandlungen ab. Nach Ansicht von Trump verzögert China den Abschluss eines Handelsabkommens in der Hoffnung auf einen Politikwechsel in Washington. China hoffe, dass einer seiner Herausforderer die Wahl im nächsten Jahr gewinne, um einen weniger schwierigen Verhandlungspartner zu haben, sagte Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Cincinnati im Bundesstaat Ohio. »Sie hoffen auf einen neuen Präsidenten«, sagte Trump. Er mache aber jetzt schon mit Strafzöllen Druck auf China und dulde keine Verzögerung. »Bis es ein Abkommen gibt, werden wir China höllenmäßig besteuern.«

Auch die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA haben sich seit dem Amtsantritt von Präsident Trump erheblich verschlechtert. Im Juli 2018 erzielte Kommissionspräsident Juncker eine Einigung mit US-Präsident Trump, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Sie einigten sich u.a. darauf, auf Nullzollsätze und den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse und Subventionen für Industriegüter mit Ausnahme von Kraftfahrzeugen hinzuarbeiten. Die Kommission wies ferner darauf hin, dass sie den Anstieg der Einfuhren von Flüssigerdgas aus den USA erleichtern und den Handel in mehreren anderen Bereichen, einschließlich Sojabohnen, stärken will. Präsident Trump versprach, keine neuen Zölle auf Fahrzeuge einzuführen, solange Fortschritte erzielt werden und die US-amerikanischen Maßnahmen für Stahl und Aluminium zu überdenken. Schließlich einigten sich die Parteien auch darauf, auf eine WTO-Reform hinzuarbeiten.

Das neue Abkommen über Rindfleischexporte der USA ist ein erster Schritt zu einer umfassenden Einigung. Für Trump ist dieses neue Handelsabkommen mit der EU ein Erfolg, für Brüssel ist es ein überschaubares Zugeständnis, um eine weitere Eskalation des Handelskonfliktes mit Washington zu vermeiden. Trump kommentierte: »Das ist ein bedeutender Erfolg für amerikanische Landwirte, Bauern und natürlich europäische Verbraucher.« Das Einlenken der EU beim Thema Rindfleisch gilt als ein Grund, warum sich Trump im vergangenen Sommer bereit erklärte, den Handelskonflikt mit der EU vorerst ruhen zu lassen — und auch zusagte, vorerst keine weiteren Sonderzölle auf Autos oder andere Waren aus der EU einzuführen. Zölle auf Autoimporte würden vor allem auch deutsche Hersteller treffen. Das Handelsvolumen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten, inklusive Dienstleistungen, betrug nach US-Angaben 2018 rund 1,3 Bio. US-Dollar. Für die EU ist dies nur eine Atempause: Mit den neuen Zugeständnissen ist die EU-Kommission noch nicht über den Berg.

Europa sollte sich auf weitere Forderungen Trumps einstellen. Beim Thema Landwirtschaft gehen die Vorstellungen immer noch weit auseinander — die EU würde den Industriezweig am liebsten ganz ausklammern. Bis November soll es eine Einigung geben. Aber auch bei der Einführung einer Digitalsteuer, die u.a. amerikanische Internetkonzerne betrifft, hat Trump mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht. Zudem gibt es seit Jahren Streitigkeiten wegen angeblich unzulässiger Subventionen für den europäischen Luftfahrtkonzern Airbus.

Mit ihrem aggressiven Vorgehen, ständigen Drohgebärden und dem Verweis auf die nationale Sicherheit als Begründung für den Schutz der einheimischen Industrie haben die USA einen Prozess ausgelöst, der nicht nur die gesamte Welthandels- und Währungsordnung unterminiert. Die strategische Konzeption »America first« wird immer mehr zu »America alone« transformiert – in einer globalisierten Wirtschaft mit zunehmend grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten werden die USA zurückfallen, wenn sie immer mehr Mauern um sich herum hochziehen.

Das Argument der Gefährdung der nationalen Sicherheit für die USA ist vorgeschoben. Letztlich ist es das übergeordnete Ziel von Präsident Trump, das enorme Handelsdefizit der USA zu verringern. Konkret will er also mehr Produkte im eigenen Land fertigen lassen – für den inländischen Konsum oder den Export in andere Länder. In Trumps protektionistischer Offensive gegenüber allen Nationen, die relevante Anteile zum Leistungsbilanzdefizit der USA beisteuern, liegt eine gefährliche Entwicklungstendenz. Sicherlich, Freihandel ist kein Selbstzweck. Er ist eines der wirkungsvollsten Instrumente der Wohlstandssteigerung – für arme und für reiche Länder. Wem am Wohlstand gelegen ist, müsste für eine Reform der regelbasierten WTO eintreten und sie nicht demontieren wollen. Mechanismen der gegenseitigen Anerkennung von Regulierungen sollten verfeinert und mehr angewandt werden.

Amerikas Außenminister, Mike Pompeo, warnte jetzt die Staaten in Südostasien davor, sich auf den Handel mit China zu verlassen. Bei einem Außenministertreffen in Bangkok appellierte Pompeo an Staaten wie Indonesien, Thailand oder Vietnam, ihre »nationale Souveränität« zu bewahren. Zugleich bot er eine noch engere Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten an. Im Unterschied zu Chinas Handelspraktiken seien amerikanische Investitionen nicht dazu da, »einer Regierung, einer Partei oder dem imperialen Ehrgeiz eines Landes« zu dienen. Die Vereinigten Staaten warnen schon seit längerer Zeit davor, dass die chinesische Initiative für eine »Neue Seidenstraße« andere Staaten in die Schuldenfalle treibt. Der Asean-Gruppe gehören insgesamt zehn Staaten mit mehr als 600 Mio. Einwohner*innen an.

Trump setzt Strafzölle systematisch als Mittel der Politik ein. Mittlerweile sind viele Länder durch diese aggressive Art der Neuordnung der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse bedroht. Auch die Europäer haben das bei Strafzöllen auf Stahlimporte schon zu spüren bekommen. Zudem steht Trumps Drohung, Strafzölle auf den Import europäischer Autos einzuführen, weiter im Raum. Trumps Vorgehen, protektionistische Maßnahmen mit Verweis auf die nationale Sicherheit zu begründen, kann letztlich das WTO-System komplett zum Einsturz bringen. Das Recht des Stärkeren wird dann die Regel im Welthandel. Die Drohgebärden der USA, Chinas und der EU machen einen umfassenden Handelskrieg wahrscheinlicher. Der Welthandel kommt an den Rand des Nervenzusammenbruchs.

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