26. Februar 2020 Joachim Bischoff
Zum Ende der Ära Merkel
Das Ende der Ära Merkel setzt sich schleichend fort. Nach der Ankündigung der Parteivorsitzenden und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, sich nicht um die Nachfolge der Kanzlerin zu bewerben und auch den Vorsitz der CDU niederzulegen, ist die Krise der Partei offen zutage getreten: Sowohl die internen Richtungsauseinandersetzungen als auch die Auseinandersetzungen um die personelle Nachfolge spitzen sich zu.
Am Ende ihrer vierten Legislaturperiode ist Merkel selbst zum Unsicherheitsfaktor geworden, und ihr erklärtes Ziel, eine geordnete Nachfolge organisieren zu wollen, wird immer nebulöser. Das schleichende Ende der Ära Merkel wird mehr und mehr von innerparteilichen und politischen Krisen überschattet.
Im Zentrum der Richtungsauseinandersetzung in der CDU steht der von der AfD inszenierte politische Coup von Thüringen. Die dortigen Landtagswahlen Ende Oktober 2019 führten zu einem Patt: Bei einer deutlich höheren Wahlbeteiligung von 64,9% gegenüber der Wahl von 2014 mit 52,7% wurde DIE LINKE mit ihrem Spitzenkandidaten Bodo Ramelow mit 31% erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland. Zugleich hatte die bis dahin regierende rot-rot-grüne Koalition keine Mehrheit mehr im Landesparlament. Die SPD rutschte von 12,4% auf 8,4% ab, und die Grünen rückten mit einem Rückgang der Wähler*innenzustimmung von 5,7% auf 5,2% dicht an die Hürde der parlamentarischen Existenz heran. Auch für die konservativen und rechten Parteien war eine Regierungsbildung nicht möglich: Die CDU verlor über 10% und kam nach 33,5% in 2014 nur noch auf 21,7%, die FDP kletterte von 2,5% auf knappe 5%. Die AfD konnte ihre Position auf 23,4% (2014: 10,6%) ausbauen.
Nach längeren Verhandlungen einigte sich Rot-Rot-Grün unter Führung von Ramelow trotz des Verlustes der Mehrheit auf eine Minderheitsregierung.[1] Die drei Parteien kommen im neuen Landtag zusammen nur noch auf 42 von 90 Sitzen. CDU und FDP lehnten eine fest vereinbarte Tolerierung oder Duldung ab, nur die CDU wollte über eine eingeschränkte Tolerierung bei ausgewählten konkreten politischen Projekten verhandeln. Mit der AfD wollte keine der anderen Parteien zusammenarbeiten.
Der amtierende Regierungschef Bodo Ramelow wurde beim Versuch der Legitimierung der Minderheitenkoalition überraschend abgewählt, weil sich sämtliche Parteien des rechten Spektrums, von FDP über CDU bis AfD, gegen ihn verbündeten.
Joachim Bischoff ist Mitherausgeber von Sozialismus.de.
[1] Vgl. dazu: Hasko Hüning, Es ist nicht egal, wer in Thüringen regiert – Nach der Wahl ist vor der Wahl, Sozialismus.deAktuell, 18.2.2020.
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