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22. August 2020 Redaktion Sozialismus: Der Parteitag der US-Demokraten

»Lasst nicht zu, dass sie euch die Demokratie wegnehmen«

Foto: Democratic National Convention

Joe Biden und Kamala Harris sind das Team, mit dem die Demokraten verhindern wollen, dass Donald Trump und sein Vize Pence in einer zweiten Amtsperiode ihre Politik der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft und der Zerstörung der demokratischen Institutionen fortsetzen können. Biden verspricht, ein Präsident aller US-Amerikaner*innen sein zu wollen, nicht nur jener, die ihn wählen.

»Vereint können und werden wir die Zeit der Dunkelheit in Amerika überwinden«, sagte er. Nach vier Jahren der Präsidentschaft Trumps will das Team Biden-Harris das Land wieder einen, die Corona-Krise überwinden und mit Millionen neuen Jobs die Wirtschaft in Schwung bringen.  Zudem wollen die Herausforderer eine Antwort auf »rassistische Ungerechtigkeit« geben und entschieden gegen die Klimakrise vorgehen.[1]

Präsident Trump reagiert auf diese Kritik wie gewohnt: Er sieht Amerika im Fall eines Wahlsiegs der Demokraten dem Untergang geweiht. Joe Biden sei der schlimmste Albtraum. Seit einem »halben Jahrhundert« sei der langjährige Senator und frühere Vizepräsident am »Ausverkauf unseres Landes« beteiligt und habe anderen Staaten geholfen, »unsere Jobs zu stehlen«. Wenn »ihr einen Ausblick auf euer Leben unter einer Biden-Präsidentschaft haben wollt, denkt an die rauchenden Ruinen in Minneapolis, die gewalttätige Anarchie in Portland, die blutbefleckten Bürgersteige von Chicago, und stellt euch das Chaos vor, das auf eure Stadt zukommt.«

In Minneapolis und Portland hatte es nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz zum Teil gewaltsame Proteste gegeben. Chicago verzeichnete zuletzt einen Kriminalitätsanstieg. Trump wirft Biden seit Wochen eine schwache Haltung beim Thema innere Sicherheit vor und versucht, Ängste zu schüren.

Die Demokraten seien »komplett wahnsinnig«, behauptet Trump. Er wiederholte auch seine Warnung, dass die Demokraten die Steuern drastisch erhöhen würden, und dass dem Land wirtschaftliche Not drohe. »Es geht bei dieser Wahl um das Überleben der Nation«, warnte der Präsident und wiederholte zudem seine Behauptung, dass die Demokraten die Wahl nur mithilfe von Wahlbetrug gewinnen könnten. Die Corona-Pandemie befinde sich »hoffentlich in den letzten Zügen«. Dafür nannte er allerdings keine Fakten. Diese aber sind deutlich: In den USA wurden zuletzt weiterhin zwischen 40.000 und 50.000 Neuinfektionen pro Tag gemeldet. Mehr als 170.000 Menschen sind seit März nach einer Infektion gestorben.

Der frühere US-Präsident Barack Obama hat in seiner Rede beim virtuellen Parteitag der Demokraten davor gewarnt, dass eine Wiederwahl Trumps eine Gefahr für die Demokratie sei und appellierte an die US-Amerikaner*innen, für Joe Biden und seine Vizekandidatin Kamala Harris zu stimmen. In außergewöhnlich scharfen Worten kritisierte er seinen Nachfolger und verdeutlichte die Alternative, deshalb sei er an dieser Stelle ausführlich zitiert.

»Wir sollten von einem Präsidenten erwarten, dass er der Hüter dieser Demokratie ist. Wir sollten erwarten, dass der Präsident unabhängig von Ego, Ehrgeiz oder politischen Überzeugungen die Freiheiten und Ideale bewahren, schützen und verteidigen wird, für die so viele Amerikaner demonstriert haben und ins Gefängnis gekommen sind, für die sie gekämpft haben und gestorben sind. … Ich hatte nie erwartet, dass mein Nachfolger sich meine Vision aneignen oder meine Politik fortführen würde. Ich hatte gehofft – im Interesse unseres Landes –, dass Donald Trump etwas Interesse daran zeigen würde, den Job ernst zu nehmen; dass er das Gewicht dieses Amtes spüren und etwas Ehrfurcht vor der Demokratie entdecken würde, die ihm anvertraut wurde. Aber er hat es nie getan. In nun fast vier Jahren hat er kein Interesse daran gezeigt, Arbeit reinzustecken. Kein Interesse daran, Gemeinsamkeiten zu finden. Kein Interesse daran, die enorme Macht seines Amtes zu nutzen, um jemandem außer sich selbst und seinen Freunden zu helfen. Kein Interesse daran, in der Präsidentschaft mehr als eine weitere Reality-Show zu sehen, die er nutzen kann, um die Aufmerksamkeit zu bekommen, nach der er sich sehnt.

Donald Trump ist nicht in den Job hineingewachsen, weil er es nicht kann. Und die Folgen dieses Versagens sind schwerwiegend. 170.000 Amerikaner sind tot. Millionen Jobs sind weg, während die da oben mehr denn je einnehmen. Unsere schlimmsten Impulse sind entfesselt, unser stolzes Ansehen rund um die Welt übel geschmälert – und unsere demokratischen Institutionen sind bedroht wie nie zuvor. ...  Was ich über Joe und Kamala vor allem weiß, ist, dass ihnen jeder Amerikaner wichtig ist. Und dass ihnen diese Demokratie zutiefst wichtig ist. Sie glauben daran, dass in einer Demokratie das Recht zu wählen heilig ist. Und dass wir es den Menschen einfacher machen sollten, ihre Stimme abzugeben - und nicht schwieriger.     Heute bitte ich Euch, an die Fähigkeit von Joe und Kamala zu glauben, dieses Land aus diesen dunklen Zeiten zu führen und besser wieder aufzubauen.

Sie verstehen, dass in dieser Demokratie der Oberbefehlshaber die Männer und Frauen unseres Militärs, die bereit sind, alles zum Schutze unserer Nation zu riskieren, nicht als politische Requisite gegen friedliche Demonstranten auf unserem eigenen Boden einsetzt. Sie verstehen, dass politische Opponenten nicht ›unamerikanisch‹ sind, nur weil sie eine andere Meinung haben; dass eine freie Presse nicht der ›Feind‹ ist, sondern der Weg, auf dem wir unsere Amtspersonen zur Rechenschaft ziehen; dass unsere Fähigkeit, zur Lösung großer Probleme wie einer Pandemie zusammenzuarbeiten, von der Treue zu Fakten und Wissenschaft und Logik abhängt – und nicht davon, sich einfach Sachen auszudenken. Sie glauben daran, dass niemand – inklusive des Präsidenten – über dem Gesetz steht und dass kein Amtsträger – auch nicht der Präsident – sein Amt nutzen sollte, um sich oder seine Unterstützer zu bereichern.

Nichts davon sollte kontrovers sein. Das sollten nicht republikanische Grundsätze oder demokratische Grundsätze sein. Das sind amerikanische Grundsätze. Aber in diesem Moment haben dieser Präsident und die, die ihn befähigen, gezeigt, dass sie an diese Dinge nicht glauben.

Heute bitte ich Euch, an die Fähigkeit von Joe und Kamala zu glauben, dieses Land aus diesen dunklen Zeiten zu führen und besser wieder aufzubauen. Aber die Sache ist, kein einzelner Amerikaner kann dieses Land allein in Ordnung bringen. Nicht einmal ein Präsident. Demokratie war nie als Transaktion gedacht – Du gibst mir Deine Stimme, ich mache alles besser. Sie braucht aktive und informierte Bürger. Also bitte ich Euch, auch in Eure eigene Fähigkeit zu glauben – und Eure Verantwortung als Bürger anzunehmen – um sicherzustellen, dass die Grundsätze der Demokratie fortbestehen. Denn genau das steht jetzt auf dem Spiel. Unsere Demokratie ... Lasst nicht zu, dass sie Euch Eure Demokratie wegnehmen. Macht gleich jetzt einen Plan, wie Ihr Euch engagieren werdet und wählt. Macht es so frühzeitig wie Ihr könnt und sagt Familie und Freunden, wie sie abstimmen können.«

Joe Biden konzentrierte sich in seiner Nominierungsrede ebenfalls auf diese Botschaft: Helft mit, den Albtraum zu beenden. Eine Wendung zum Besseren auch in den schwierigsten Zeiten sei möglich, wenn man die Hoffnung nicht verliert und die richtigen Maßnahmen ergreift. Auch er kritisiert den Amtsinhaber grundsätzlich: »Der Präsident übernimmt keine Verantwortung, weigert sich zu führen, gibt anderen die Schuld, schmeichelt sich bei Diktatoren ein und schürt die Flammen des Hasses und der Spaltung.«

Und mit Blick auf die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft fügte er hinzu: »Wir sind so viel besser als das.« Biden verspricht, das Land zu einen und im Falle einer Wahl auch für die arbeiten zu wollen, die ihn nicht gewählt hätten. »Das ist die Aufgabe eines Präsidenten«, keine Zeit sei dagegen für reine Parteipolitik. Die USA seien mit einem der schwierigsten Momente ihrer Geschichte konfrontiert: vier Krisen gleichzeitig, »einem perfekten Sturm«. Damit meint er »die schlimmste Pandemie in mehr als 100 Jahren«, die »schwerste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression«, sowie die Rassismus-Debatte und den Klimawandel. »Sind wir dafür gewappnet? Ich glaube, ja. Wir müssen es sein.«

Um die Dimension der Herausforderungen aufzuzeigen, erinnert der Demokrat an den früheren Präsidenten Franklin Roosevelt, der in seinem Wahlkampf 1932 den »New Deal« versprach: jenes Maßnahmenpaket aus Wirtschafts- und Sozialreformen, mit denen die USA zwischen 1933 und 1938 auf die Weltwirtschaftskrise reagierten.[2] Biden will schon »am ersten Tag« seiner Amtszeit einen Plan zur Eindämmung der Pandemie vorstellen. Dazu gehört eine landesweite Maskenpflicht, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Gelinge das nicht, könne sich auch die Wirtschaft nicht erholen. Das habe »dieser Präsident« immer noch nicht verstanden.

Joe Biden und Kamala Harris versprechen einen anderen Umgang mit der Corona-Pandemie, nicht zuletzt deshalb sei die anstehende Wahl eine der wichtigsten überhaupt. Bei ihr gehe es um Charakter, Mitgefühl, Anstand, Wissenschaft und die Demokratie. Es gehe darum – so Biden –, »welche Nation wir sein wollen«, darum, für was Amerika stehe.

Die Alternativen seien klar, die US-Amerikaner*innen sollten »diesen Präsidenten« einfach nur nach den Fakten beurteilen: Fünf Millionen mit dem Virus infizierte US-Amerikaner*innen und mehr als 170.000, die an den Folgen bereits gestorben sind, mehr als 50 Millionen Menschen, die sich in diesem Jahr bereits arbeitslos gemeldet hätten und über zehn Millionen, die bis Ende des Jahres deswegen ihre Krankenversicherung verlören, sowie fast sechs Millionen kleine Firmen, die Pleite gegangen seien.

Trumps Warten auf ein Wunder sei vergeblich. »Unser derzeitiger Präsident hat bei seiner wichtigsten Aufgabe gegenüber der Nation versagt. Er hat uns nicht beschützt. Er hat Amerika nicht beschützt. Das ist unverzeihlich.«

Sein eigenes Regierungsprogramm skizziert der Kandidat der Demokraten allerdings nur kurz in groben Zügen: Er werde die Wirtschaft wieder ankurbeln und dabei Millionen neue Jobs schaffen. Außerdem werde sich Amerika unter ihm der »existenziellen Bedrohung« des Klimawandels stellen. Nötige Investitionen könnten finanziert werden, indem die von Trump durchgesetzten Steuersenkungen für Vermögende rückgängig gemacht werden. Biden will außerdem den Gesundheitssektor und das Sozialversicherungssystem stärken. Und verspricht, den »strukturellen Rassismus« in den USA ein für alle Mal loszuwerden.

Warum eine zweite Amtszeit des bisherigen Präsidenten aus ihrer Sicht ein gesellschaftliches und politisches Desaster wäre – das haben die Demokraten auf ihrem Parteitag verdeutlicht, während die eigenen Vorstellungen erst in Ansätzen sichtbar werden. Die von Biden herausgestellte Metapher von »Dunkelheit versus Licht« veranschaulicht, dass wir mit Sicherheit eine der heftigsten Wahlauseinandersetzungen erwarten können, die Amerika je gesehen hat.

Anmerkungen

[1] Siehe hierzu auch ausführlicher Joachim Bischoff, Wohin treibt Amerika – Zum Wahlkampf in den USA, in: Sozialismus.de, Heft 9/2020.
[2] Siehe dazu die soeben erschienene Flugschrift von Steffen Lehndorff, New Deal heißt Mut zum Konflikt. Was wir von Roosevelts Reformpolitik der 1930er Jahre heute lernen können, Hamburg 2020.

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