27. Dezember 2014 Otto König/ Richard Detje: Versuch einer Annäherung USA-Kuba

»No es facil« – Es ist nicht einfach

Die US-Administration strebt die längst überfällige Neuausrichtung der Beziehungen zu Kuba an. Ein Regimewechsel ist keine conditio sine qua non mehr, um nach 53 Jahren mit dem karibischen Inselstaat wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen und eine Botschaft in Havanna zu eröffnen. Bahnt sich damit eine Zäsur an?

»Wir werden einen überkommenen Ansatz beenden, der über Jahrzehnte unsere Interessen nicht vorangebracht hat«, lautet die Begründung von US-Präsident Barack Obama. Die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, gibt zu Protokoll, sie habe am Ende ihrer Amtszeit als Außenministerin Obama gebeten, das Embargo gegenüber Kuba zu überdenken, denn »es macht keinen Sinn und behindert unsere Pläne in ganz Lateinamerika.«[1] Damit erklären beide, dass die über fünf Jahrzehnte praktizierte Politik der politisch-ideologischen Subversion, des Embargos verbunden mit Wirtschaftssanktionen gegen Kuba – mit dem Ziel, »die Regierung Castro zu beseitigen« – gescheitert ist.[2]

Nach einem sorgsam abgesprochenen Drehbuch[3] wurde die Freilassung von inhaftierten Bürgern beider Seiten bekanntgegeben und vollzogen. Die letzten drei der »Cuban five« – Antonio Guerrero, Gerardo Hernández und Ramón Labañino –, die 2001 unter skandalösen Umständen wegen Spionage gegen Anti-Castro-Gruppen in Florida verurteilt wurden und seitdem in US-Gefängnissen einsaßen, kamen frei und kehrten in ihre Heimat zurück.[4]

Zuvor war in Kuba u.a. der IT-Spezialist Alan Gross freigekommen, der zu 15 Jahren Haft verurteilt worden war, weil er illegales Kommunikationsmaterial wie Satellitentelefone an US-Kontakte auf Kuba verteilt haben soll.

Nur wenige Stunden nach dem Austausch erklärten die Präsidenten beider Staaten zeitgleich in TV-Ansprachen, dass die abgesprochene Annäherung einen Wendepunkt in den Beziehungen ihrer Länder markiere. Obama verkündete die Aufhebung oder Lockerung der Handelsbeschränkungen sowie der Restriktionen bei Finanzgeschäften und Reisen. Künftig sollen beispielsweise Baumaterial für den privaten Wohnungsbau, Investitionsgüter für kubanische Privatunternehmer sowie landwirtschaftliche Maschinen für Kleinbauern exportiert werden dürfen.

Raul Castro betonte, dass »das kubanische Volk im Angesicht großer Gefahren, Aggressionen, Widrigkeiten und Opfer (…) seinen Idealen von Unabhängigkeit und sozialer Gerechtigkeit treu« geblieben sei. Das größte Hindernis umschrieb er mit den Worten »El Blouson debe cesar« – »Die Blockade muss aufhören«. Er forderte die USA auf, sich endlich mulitlateralen Abkommen und dem internationalen Recht u.a. der Charta der Vereinten Nationen zu beugen.

Die Wirtschaftssanktionen der USA, so der stellvertretende kubanische Außenminister Abelardo Moreno wenige Wochen zuvor in seinem Bericht an die UNO-Generalversammlung, haben Kuba wirtschaftliche Schäden in Höhe von über 116 Milliarden US-Dollar zugefügt (Amerika 21, 15.09.2014). Bereits ein Jahr nach dem Sieg der Revolution 1959 ordnete US-Präsident Dwight D. Eisenhower als Reaktion auf die Ankündigung der Enteignung von US-Konzernen erste Handelsbeschränkungen an.

Nach der gescheiterten Invasion von Exilkubanern in der Schweinebucht im April 1961, die durch die USA unterstützt wurden, verhängte Präsident John F. Kennedy ein Handelsembargo gegen Kuba. Der Zugang zu Krediten wurde abgeschnitten. 1996 goss der amerikanische Kongress die seit 1960 von verschiedenen Präsidenten verhängten Beschränkungen für Handel und Reisen in ein Gesetz. Aufgrund dessen darf z.B. jedes Schiff, das zu Handelszwecken in einem kubanischen Hafen anlegt, erst 180 Tage später die USA anlaufen.

Aufgrund dieses Gesetzes kann die Obama-Administration die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade nun auch nicht im Alleingang aufheben. Nur der Kongress, in dem die Republikaner über die Mehrheit verfügen, ist befugt, eine Gesetzesänderung zu beschließen, mit dem das Embargo aufgehoben und der Wirtschaftskrieg beendet werden kann. Das ist nicht zu erwarten. Im Weißen Haus setzt man deshalb anscheinend auf die Strategie, mit schrittweisen Verbesserungen das Embargo zu entschärfen, um einen Neuanfang in den kubanisch-US-amerikanischen Beziehungen zu ermöglichen.

Obamas realistischere Einschätzung kommt nicht von ungefähr. Veränderung des politischen Klimas in den USA haben sie mit herbeigeführt.[5] Im Februar 2014 befürworteten bei einer Umfrage des »Atlantic Council« 56% der Nordamerikaner eine Änderung in der Kubapolitik Washingtons. In einer noch aktuelleren Umfrage des »Instituto de Investigation Cubano« der Internationalen Universität von Florida sprach sich die Mehrheit der kubanischen Gemeinde dafür aus, dass die Blockade aufgehoben wird: 71% sind der Meinung, dass die Blockade »nichts gebracht hat« und 81% würden einen Kandidaten wählen, der statt der Blockade eine Strategie der diplomatischen Annäherung beider Länder in die Wege leiten würde.[6]

Diese Umfrageergebnisse stehen im Gegensatz zu den wütenden Protesten der Hardliner unter den Exil-Cubanern in »Little Havanna« in Miami, die wie Senator Marco Rubio die Entscheidung Obamas als »Schande« geißeln. In die gleiche Kerbe schlägt der ehemalige Gouverneur von Florida und potenzielle Präsidentschaftskandidat der Republikaner 2016, Jeb Bush, der »Amerikas Glaubwürdigkeit in der Welt gefährdet sieht«. Auffällig an den Reaktionen der Cubanos ist der Generationsunterschied: Wer älter ist, äußert sich skeptisch oder lehnt die Normalisierung ab, dagegen zeigen Jüngere Verständnis bzw. befürworten sie.

Ebenso wichtig für den Politikwechsel gegenüber Kuba dürften die Entwicklungen in Lateinamerika und das kompliziertere Verhältnis zu den dortigen Linksregierungen, die sich der politischen Bevormundung der Hegemonialmacht USA widersetzen. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández erklärte, die USA »haben 53 Jahre lang die Rechte des kubanischen Volkes missachtet, mussten aber zum Schluss einräumen, dass Fidel Castro im Recht ist«. Die antiquierte Isolationspolitik wurde für die USA in den Beziehungen zu Lateinamerika und der Karibik zu einem ernsthaften Problem, indem sie letztlich die Solidarität gegen den Norden stärkte. Während die von der USA dominierte »Organisation Amerikanischer Staaten« (OAS) an politischer Bedeutung verlor, wuchs das politische Gewicht der neuen Regionalorganisationen UNASUR, ALBA und CELAC unter Beteiligung Kubas und unter Ausschluss der USA.

Diese Entwicklung schlug sich auch in den Abstimmungen in der Uno-Generalversammlung nieder. Von 193 Staaten sprachen sich in den letzten beiden Jahren 188 für ein Ende des Embargos aus. Dagegen stimmte neben den USA nur Israel, während sich drei pazifische Inselstaaten der Stimme enthielten. Auch Deutschland votierte gegen das Embargo.[7]

Ob dies der »Beginn einer neuen Epoche« ist, wie der kubanische Schriftsteller Leonardo Padura meint, wird sich noch beweisen müssen.[8] Eine progressive Wende statt einer beschleunigten Dollarisierung hängt letztlich von der Politik der kubanischen Regierung ab, inwieweit es ihr gelingt, mit einer klugen Verknüpfung von Markt- und planmäßiger Steuerung Verbesserungen im Alltag herbeizuführen. Das restriktivere weltwirtschaftliche Umfeld macht die Sache schwieriger. Die politischen Mehrheitsverhältnisse in Lateinamerika könnten hingegen ein Faktor der politischen Unterstützung sein.

[1] Hillary Rodham Clinton: Hard Choices, New York 2014.
[2] Fidel Castro, Commandante en Jefe und treibende revolutionäre Kraft der Bewegung 26. Juli, zählte 638 Attentate auf sein Leben, die meisten geplant oder unterstützt von der CIA und ausgeführt von Exilkubanern und US-amerikanischen Mafiosi. In den vergangenen 18 Jahren hat die US-Regierung laut New York Times allein bei dem Versuch ein »Regime Change« herbeizuführen 264 Millionen Dollar ausgegeben. Die NYT verweist auf die Behörde für internationale Entwicklung der Vereinigten Staaten (USAID), die versucht habe, illegale Projekte in Kuba umzusetzen (Amerika 21, 14.11.2014).
[3] Bei der Annäherung zwischen beiden Staaten übernahm Papst Franziskus eine zentrale Rolle. In persönlichen Schreiben habe er sich direkt an Obama und Castro gewandt und den Annäherungsprozess mit vorangetrieben. Delegationen beider Länder hätten sich zu Gesprächen im Vatikan getroffen (FAZ, 18.12.2014).
[4] Otto König: Die Kampagne »Free the Cuban five!« Volverán! Sie werden zurückkehren! SozialismusAktuell vom 7.10 2013.
[5] So reisten Anfang dieses Jahres zum wiederholten Male Gruppen von US-Senatoren nach Havanna, die sich mit Staatschef Raúl Castro zu Gesprächen trafen. In mehreren Leitartikeln der New York Times wurde in den zurückliegenden Wochen gefordert, das »anachronistische« Verhältnis zur Insel endlich zu normalisieren. Eine Gruppe von rund fünfzig bedeutenden Unternehmern, ehemaligen Vertretern unterschiedlicher politischer Strömungen und Intellektuelle, haben im Wissen darüber, dass der US-Präsident nicht die Macht besitzt, das Embargo aufzuheben, diesen in einem offenen Brief gebeten, er solle vom Privileg der Exekutive Gebrauch machen, um »intelligente Änderungen« im Verhältnis zu Kuba vorzunehmen, um sich damit Havanna annähern zu können«.  Vgl. Ignacio Ramonet: Es bewegt sich was, Amerika21 vom 5.7.2014.
[6] Ebenda
[7] Auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Fraktion DIE LINKE, antwortete der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, die EU habe wie in den vielen Jahren zuvor geschlossen für eine sofortige Aufhebung des US-amerikanischen Embargos gegen Kuba votiert. Die Bundesregierung sei »der Auffassung, dass die US-amerikanischen Maßnahmen wegen ihrer Drittwirkung rechtswidrig sind.« Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll vom 5.11.2014.
[8] Es gibt aktuell gegenläufige Entscheidungen. Nur einen Tag nach Verkündung der Annäherung zwischen USA und Kuba und wenige Tage nach der Veröffentlichung des »Torture Report« des US-Senats über grausame Foltermethoden de CIA setzte Barack Obama die vom Kongress geforderten Sanktionen gegen bolivarische AktivistInnen in Kraft, denen auf Betreiben rechter venezolanischer Oppositionspolitiker »Menschenrechtsverstöße« zugeschrieben werden. Vgl. Otto König/Richard Detje: Venezuela: Bolivarische Revolution zwischen Wirtschaftskrise und Destabilisierung von außen, Sozialismus 5/2014.

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