Liebe Leserinnen und Leser,

Auch die jüngste Umfrage zur Europa-Wahl erhärtet die Befürchtung, dass rechtspopulistisch-nationalistische Parteien sich am 25. Mai als Sieger feiern lassen werden. Nicht nur in Frankreich, in den Niederlanden und Österreich, auch in Großbritannien scheint ihr Vormarsch nicht aufzuhalten sein. Dort hat die UK Independence Party (31%) die Labour Party vom ersten Platz verdrängt, während Camerons Konservative auf 19% zurückgefallen sind. Auch auf dem Kontinent verlieren die Christdemokraten (bislang noch mit Ausnahme der CDU/CSU) erheblich an Unterstützung (von 36 auf gut 28%), während die europäische Sozialdemokratie (27,8%) und die linke Linke (6,4%) nur leicht zulegen dürften …

 

Mit herzlichen Grüßen zum 1. Mai
die Redaktion

Das neue Heft

… dabei gibt es Alternativen, die das Profil der politischen Linken schärfen könnten, wie die Memorandum-Gruppe in der Mai-Ausgabe von Sozialismus zeigt. Doch in der französischen PS und der italienischen PD setzt sich – wie Bernhard Sander und Christina Ujma argumentieren – der Anpassungsprozess an das austeritär-autoritäre Regime weiter fort. Dass Europa dadurch mehr und mehr zu einem »Alptraum« wird, wie es Vicente Navarro, einer der großen linken Intellektuellen Spaniens nennt, fällt auch der Sozialdemokratie auf die Füße.

Daher plädiert die Sprecherin der SPD-Linken, Hilde Mattheis, im Interview für Wachsamkeit: »Meine Befürchtung ist: Schäuble macht die Haushaltskonsolidierung und wir lassen es zu, dass die Sozialkassen geplündert werden. Diese Rollenverteilung kann nicht gefallen.«

Aus zwei Gründen nicht: Zum einen, weil dies fortschreitende Prekarisierung zur Folge hätte. Thomas Goes sieht in seinen Befragungen gleichwohl Ansatzpunkte widerständigen Handelns. Zum anderen, weil sich in Europa – wie Joachim Bischoff analysiert – eine säkulare Stagnationsperspektive herausgebildet hat, die im Regime von Schuldenbremse und Fiskalpakt das Zentralproblem historischer Höchststände der Arbeitslosigkeit – insbesondere bei Jugendlichen, woran der Beitrag von Kay Beiderwieden anknüpft – perpetuiert.

Dass in dieser Situation trotzdem Erfolge errungen werden können, wird im Forum Gewerkschaften deutlich. Die Tarifauseinandersetzung im Öffentlichen Dienst ist für Günter Busch ein Erfolg, der institutionelle und organisationspolitische Machtressourcen der Gewerkschaft stärken kann. Was – wie Hermann Unterhinninghofen begründet – nicht durch die »Tarifeinheitsraute« von BDA bis DGB aufs Spiel gesetzt werden sollte. Peter Scherer erinnert aus aktuellem Anlass an den Metaller Willy Schmidt.

Doch zurück zu den transnationalen Verwerfungen, mit denen diese Ausgabe aufmacht: Zum einen zu den als »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« titulierten Entwicklungspfaden in Lateinamerika, die mit systemischen Schranken konfrontiert sind, die Dieter Boris sowie Otto König und Richard Detje am Beispiel Venezuela darstellen. Zum zweiten den Verhandlungen über das fälschlicherweise als Freihandelsabkommen bezeichnete TTIP, bei dem – so Alexis Passadakis – die transatlantischen Investitionsverflechtungen im Zentrum stehen. Und drittens der Ukraine-Konflikt auf dem »eurasischen Schachbrett«, bei dem Thomas Nord und Peter Frigger zufolge alles unternommen werden muss, dass sich das jugoslawische Sezessionsmodell nicht wiederholt.

Zum Schluss etwas Science Fiction: Snowpiercer, angeschaut von Klaus Schneider.

Kommentare

Wem gehört die Industrie?

Frankreichs Staatspräsident François Hollande hat die Zukunft des Industriekonzerns Alstom zur Chefsache gemacht. Er hat die Konzernchefs von Siemens und General Electric (GE) zu Gesprächen in den Élyséepalast gebeten und will in der industriellen Umgruppierung eine Lösung durchsetzen, die das Risiko einer weiteren Deindustrialisierung Frankreichs vermindert. Mehr...

Brachliegende Potenziale gegen wachsende linke Skepsis

Die strategische Diskussion über die Zukunft der Linken nimmt Fahrt auf. Steffi Lemke, Stefan Liebich und Frank Schwabe sehen die Chancen von Rot-Rot-Grün eher skeptisch (der Freitag vom 22.4.). Die Sprecherin der SPD-Linken, Hilde Mattheis, setzt auf den anhaltenden Einflussgewinn des linken Flügels (Interview in der kommenden Ausgabe von Sozialismus – Heft 5-2014). Und Katja Kipping fordert im SPIEGEL (Heft 17) »einen neuen Sound für DIE LINKE«. Mehr ...

Textilarbeiterinnen in Bangladesch und der 1. Mai

Niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten und unmenschliche Arbeitsbedingungen sind heute für die Textilindustrie kennzeichnend, wie die Berichte über die Demonstrationen über Streiks von TextilarbeiterInnen in Bagladesh zeigen. Bereits seit dem Beginn der Arbeiterbewegung stand die Textilbranche immer wieder im Zentrum harter Klassenauseinandersetzungen. Mehr ...

Politikwechsel für Europa

Die Spaltung Europas lässt sich an parallelen Events ablesen. Das eine fand in Athen statt und hatte zwei Aspekte, das andere in Brüssel und hatte mehr als 50.000 TeilnehmerInnen. In beiden Fällen geht es um Deutungshoheit: Quo vadis Europa? Mehr ...

Vor einem kräftigen Konjunkturaufschwung?

Die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute prognostizieren im Frühjahrsgutachten für 2014 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,9%. 2015 erwarten sie ein Wachstum von 2,0%. Damit bestätigen sie die Regierungsprognose vom Februar. Diese geht 2014 von 1,8% Wachstum aus und 2015 ebenfalls von 2,0%. Mehr ...

Weitere Kommentare und Kurzanalysen gibt es hier.

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Thomas Piketty und die Kapital-Einkommens-Relation

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Termine

Verlierer des 20. Jahrhunderts

5. Mai | Jena | 16:00 Uhr | Rosa-Luxemburg-Stiftung, Käthe-Kollwitz-Str. 6
Mario Kessler, Historiker am Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam, stellt seine neue Publikation vor: Ruth Fischer. Ein Leben mit und gegen Kommunisten (1895-1961), Köln 2013. Fischer war 1924/25 weltweit die erste Frau an der Spitze einer Massenpartei: der KPD, in der sie die ultralinke Linie vertrat. Später wurde sie zur leidenschaftlichen Antikommunistin, die in den USA sogar gegen ihre Brüder Gerhart und Hanns Eisler sowie gegen Bertolt Brecht aussagte.

Fiskalkrise im Konflikt?

6. Mai | Stuttgart | 19:00 Uhr | ver.di Bezirk Stuttgart, Lautenschlagerstr. 20
Wolfgang Dunkel und Wolfgang Menz, Forscher am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) in München, stellen Befunde aus drei Forschungsprojekten vor: Krise ohne Konflikt? (VSA 2011), Krisenerfahrungen und Politik (VSA 2013) sowie »Brüchige Legitimationen – neue Handlungsorientierungen?« (Hans Böckler Stiftung).

Politischer Streik

8. Mai | Hamburg | 19:00 Uhr | Curio-Haus, Rothenbaumchaussee 15
Warum brauchen Beschäftigte und Gewerkschaften in Deutschland den »politischen Streik«? Können damit neue Felder sozialer Kämpfe erschlossen werden, um auch Einschränkungen sozialer und demokratischer Grundrechte in den Blick zu nehmen, die in Tarifauseinandersetzungen nicht verhandelt werden können? Mit Heiner Dribbusch (WSI), Florian Wilde (RLS, Mitautor des Buchs Politische Streiks im Europa der Krise, VSA) u.a.

Arbeitszeitverkürzung – ein Weg aus der Krise

10. Mai | Hamburg | 10:00-19:00 Uhr | Gewerbeschule 1, Angerstr. 7-11
Immer länger und schneller arbeiten? Nein! Die Veranstalter – RLS, GEW, KDA, SoVD, DIDF – halten mit der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich dagegen: »Arbeitslosigkeit und Arbeitsverdichtung sind zwei Seiten einer Medaille. Arbeitszeitverkürzung gehört wieder auf die Tagesordnung«. Mit Siggi Fries, Sybille Stamm, Klaus Wicher, Steffen Lehndorff u.a.

Fußball in Brasilien: Widerstand und Utopie

20. Mai | Hannover | 19:00 Uhr | Pavillon am Raschplatz, Lister Meile 4
Vom 12.6.-13.7. findet in Brasilien die Fußball-WM der Männer statt. In einem Land, in dem die Proteste gegen soziale Spaltung und Armut sowie gegen die Kommerzialisierung des Fußballs einen neuen Höhepunkt erreicht haben. Gerhard Dilger, Thomas Fatheuer, Christian Russau und Stefan Thimmel haben für die Rosa-Luxemburg-Stiftung bei VSA den Band Fußball in Brasilien: Widerstand und Utopie. Von Mythen und Helden, von Massenkultur und Protest herausgegeben, den sie auf Veranstaltungen vorstellen (weitere Termine auf www.vsa-verlag.de oder www.rosalux.de).

Rotes Grün

22. Mai | Wismar | 19:00 Uhr | Filmbüro, Bürgermeister-Haupt-Str. 51
Buchvorstellung von Hans Thie: Rotes Grün. Pioniere und Prinzipien einer ökologischen Gesellschaft (VSA).

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Wahlen zum Europäischen Parlament: die politische Linke stärken – die neoliberale und extreme Rechte durch linke Wahlbeteiligung schwächen!

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Anfang Mai erscheinen außerdem:


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Gerhard Dilger / Thomas Fatheuer / Christian Russau / Stefan Thimmel (Hrsg.)
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