Liebe Leserinnen und Leser,

Paul Krugman hat nachgerechnet: Die ökonomischen Lebensgrundlagen Griechenlands sind seit 2010 durch erzwungene Austerität in einem ebenso großen Ausmaß verwüstet worden wie die des imperialen Deutschlands im Ersten Weltkrieg (Krugman.blogs.nytimes.com, 15.2.). Die daran anschließenden »wirtschaftlichen Folgen des Vertrags von Versailles« (Keynes 1919) waren ein Desaster – das Jahrhundert der Extreme nahm seinen Lauf. Heute »sollten die europäischen Gläubiger erkennen, dass Flexibilität – Griechenland eine Chance geben, sich zu erholen – in ihrem eigenen Interesse liegt … In Europa könnte es noch bedeutend schlechter werden – und wenn die Gläubiger rachsüchtig sind, wird es so kommen.« (Krugman.blogs.nytimes.com, 16.2.)

 

Es ist wichtig, diesmal aus der Geschichte zu lernen,
meint die Redaktion.

Das neue Heft

Griechenland ist keine Gefahr, sondern eine Chance für Europa – lautet der Aufruf von GewerkschafterInnen und WissenschaftlerInnen (www.europa-neu-begruenden.de). In der März-Ausgabe von Sozialismus wird dieser Appell von Joachim Bischoff, Steffen Lehndorff, Björn Radke und Karl Georg Zinn mit Artikeln unterlegt. An die Adresse der Hardliner: »Wenn ›Europa scheitert‹, dürften die politischen Kollateralschäden gerade für die deutsche ›Mittelmacht‹ verheerend ausfallen. Ob dann die Exportüberschüsse die Tränen trocknen, ist äußerst zweifelhaft.« (S. 15)

Europa ist Schauplatz eines weiteren »Krisenherdes«: der Ukraine. Welche Chancen gibt es, dass die Vereinbarungen von Minsk den Krieg beenden? Und was müsste geschehen, damit in der Ostukraine dauerhaft die Waffen ruhen? Uli Cremer geht diesen Fragen nach.

Die Parlamentswahlen im Juni dieses Jahres in der Türkei könnten einen weitreichenden Umschwung herbeiführen: Legalisierung des Präsidialsystems und weitere Suspendierung der republikanischen Verfassung. Errol Babacan und Murat Cakir beleuchten die »neue Türkei« der Partei des politischen Islam.

Während Christina Ujma der Frage nachgeht, ob eine Spaltung der Linken in Italien bevorsteht, geht Bernhard Sander davon aus, dass der Front National als stärkste Partei aus den Regionalwahlen in Frankreich im März hervorgeht. Die Erschütterungen im politischen System setzen sich fort – auch in Deutschland, wo Joachim Bischoff und Bernhard Müller den Aufstieg der AfD unter die Lupe nehmen. Christoph Lieber veranlasst dies, rückblickend nach dem zeitdiagnostischen Gehalt der »Risikogesellschaft« des kürzlich verstorbenen Soziologen Ulrich Beck zu fragen. 

Für das Forum Gewerkschaften hat Wolfgang Müller eine Analyse der widersprüchlichen Rolle der Staatsgewerkschaften im chinesischen Kapitalismus verfasst. Otto König und Richard Detje setzen sich mit der Tarifflucht der Deutschen Post DHL und stellen zwei Expertisen zur gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit vor.

Imperialer Realismus? Uli Cremer bestreitet diese Deutung der deutschen Außenpolitik. Frank Deppe setzt sich kritisch mit den Einwänden auseinander. Und Hans Modrows »Gesprächen über Kuba« möchte Christoph Lieber gerne weitere folgen lassen.  

Schließlich der oscarpreisgekrönte »Birdman« – Klaus Schneider empfiehlt diese »mit subtiler Ironie gespielte Abrechnung mit dem Filmgeschäft.«

Dem Heft liegt das EuroMemorandum 2015 bei: Die Zukunft der Europäischen Union. Stagnation und Polarisierung oder eine grundlegende Neuausrichtung?

Kommentare

Venezuelas steiniger Weg

Das Programm des »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« ist ein »camino lleno de piedras« – ein steiniger Weg. Die Wirtschaftslage Venezuelas hat sich in den zurückliegenden Monaten dramatisch zugespitzt. Das lateinamerikanische Land ächzt insbesondere unter dem anhaltenden Ölpreisverfall. Mehr...

Griechenland und die neoliberale Sparpolitik

Griechenlands neue Regierung und die Euro-Mitgliedsländer haben sich im Konflikt über einen Ausstieg aus dem neoliberalen Austeritätsregime der internationalen Troika geeinigt. Wenn Athen bis Montagabend akzeptable Spar- und Reformvorschläge vorlegt, soll das eigentlich Ende Februar auslaufende Hilfsprogramm um weitere vier Monate verlängert werden. Es gibt ein geordnetes Vertragsende und keinen »dirty exit«. Mehr...

Sieg der Diplomatie!?

Der Waffenstillstand in der Ukraine ist ein diplomatischer Erfolg. Ein erster Schritt, der unter Beweis stellen muss, dass alle Konfliktparteien sich zu Deeskalation verpflichten. Weitere, in der Minsker Vereinbarung enthaltene Schritte müssen folgen: der vom Abzug der schweren Waffen über die Freilassung der Gefangenen bis zu einer Verfassungsreform, die den abtrünnigen Gebieten größere Selbstständigkeit innerhalb des ukrainischen Staates gewähren soll. Zudem sollen Gespräche über Wahlen in den umkämpften Gebieten eingeleitet werden. Mehr...

Blühende Hansestadt mit wachsender Armut

Die SPD feiert den Sieg in der Hamburger Bürgerschaftswahl überschwänglich. Angesichts des Rausches über die Nähe zur absoluten Mehrheit geht völlig verloren, dass die SPD auch fast 10.000 WählerInnenstimmen verloren hat und bei einer erneut tieferen Wahlbeteiligung (56,6%) dies Ergebnis für nur knapp 26% aller Wahlberechtigten steht. Mehr...

Waffenstillstand bei wirtschaftlichem Chaos

Im ukrainischen Krieg wäre schon ein weithin respektierter Waffenstillstand ein großer Erfolg. Dieser ist jedoch nur die erste große Hürde für einen Frieden in der Region. Der Fahrplan von Minsk soll bis zu Wahlen in den abtrünnigen Regionen und einer neuen Verfassung für das Land reichen. Mehr...

Weitere Kommentare und Kurzanalysen gibt es hier.

Bei anderen entdeckt

Die atemberaubende Geschichte der Troika, oder wie der autoritäre Kapitalismus exerziert wird, gibt es zu lesen im Tagesspiegel und zu schauen auf Arte: Macht ohne Kontrolle – Die Troika.

Termine

Der Weg zur zukunftsfähigen Gesellschaft

3.3. | Ulm | 20:00-21:30 Uhr, Volkshochschule/Einstein Haus, Kornhausplatz 5
Franz Groll stellt eine zukunftsfähige Alternative zu unserer heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung dar. Er zeigt Wege auf, wie wir in einem evolutionären Prozess zu einer neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung übergehen können, ohne Gefahr, in eine Krise abzugleiten oder gar zu kollabieren. Dabei werden die wesentlichen Grundlagen und Inhalte einer solidarischen und zukunftsfähigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung beschrieben. Franz Groll ist Autor des Buches Der Weg zur zukunftsfähigen Gesellschaft.

Neustart mit Syriza – Rettet Griechenland Europa?

4.3. | Berlin | 19:00 Uhr bis 21:00 Uhr, Helle Panke, Kopenhagener Str. 9
Kann aus der Bedrängnis eines kleinen Landes mit einer linken Regierung ein Befreiungsschlag für die Eurozone werden? Ist Syriza in der Lage, mit den Kritikern der deutschen Finanzidiotie ein dauerhaftes Bündnis zu schmieden? Welche Erpressungen drohen, wenn die griechische Regierung an ihrem Kurs festhält? Referent: Axel Troost (Wirtschaftswissenschaftler, MdB, DIE LINKE) berichtet von seinen Gesprächen mit führenden Syriza-VertreterInnen. Moderation: Klaus Steinitz.

Sozialismus der Freiheit – Karl Polanyis Vision

5.3. | Berlin | 19:30-21:30 Uhr, Helle Panke, Berlin, Kopenhagener Str. 9, 10437 Berlin. Vortrag und Diskussion mit Michael Brie über den radikalen Sozialisten Karl Polanyi (1886-1964), der mit einer eigenen Erzählung der demokratischen Linken gegen die Krise der liberalen Utopien und der kapitalistischen Marktgesellschaft das Alltagsbewusstsein der Menschen erreichen wollte. In seinem soeben erschienenen Buch Polanyi neu entdecken beschreibt Michael Brie einen fiktiven Dialog zwischen Nancy Fraser und Karl Polanyi.

Die rechten »Mut«-Bürger

5.3. | Düsseldorf |19:30 Uhr-21:00 Uhr, Buchhandlung BiBaBuZe, Aachener Str. 1
In der Reihe »Das neue politische Buch« – einer gemeinsamen Veranstaltungsreihe von BiBaBuZe und Heinrich-Böll-Stiftung – sprechen im Rahmen der Buchvorstellung von »Die rechten ›Mut‹-Bürger« Autor Alexander Häusler (FH Düsseldorf) und Verena Schäffer (MdL, Bündnis 90/Die Grünen) über Entstehung, Entwicklung, Personal und Positionen von AfD und »Pegida«.

Griechenland gegen Austerität – Chance für Europa!

6.3. | Hamburg | 19:00 Uhr, Werkstatt 3, Nernstweg 32. Wie ist die aktuelle politische und soziale Entwicklung in Griechenland? Kann Syriza die Hoffnungen der Bevölkerung erfüllen? Woher kommen eigentlich Griechenlands Schulden? Gibt es eine besondere deutsche Verantwortung, warum beharrt die deutsche Regierung auf dem Austeritätskurs, und wie wird versucht, ihn durchzusetzen? Mit Paul Kleiser, Politologe und Griechenland-Experte, und Achim Rollhäuser, Aktivist aus Athen.

Theoretiker der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung

12.3. | München | 18-20.30 Uhr, DGB-Haus München, Schwanthaler Str. 64, Raum T.U. 09
Vortragsreihe des DGB-Bildungswerks Bayern und Arbeit und Leben München über Denker aus der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, die in den verschiedenen Strömungen – Sozialdemokratie, Kommunismus, Anarchismus, Sozialismus – durch eigenständige und teils dissidente Beiträge hervorgetreten sind. Am 12.3. stellt Peter Seyfert Pjotr Alexejewitsch Kropotkin (1842-1921) vor. Die weiteren Termine: 16.4.: Karl Korsch | 5.5.: Rudolf Rocker | 21.5.: Jewgeni Paschukanis | 18.6.: Otto Bauer | 2.7.: Antonio Gramsci | 14.7.: Ernst Bloch

VSA: Leipziger Buchmesse

12.-15.3 | Leipzig
Auch 2015 ist der VSA: Verlag mit einem Stand [Halle 5, Stand C 408] präsent und beteiligt sich am Veranstaltungsprogramm linker Verlage auf dem gemeinsamen Stand »Die Bühne« [C 404 gleich nebenan] und im Rahmen von Leipzig liest:
12.3., 12:30 und 16:00 Uhr, Alexander Häusler: Wer steckt hinter AfD & Co.? (eine weitere Lesung findet am 13.3., 19:00 Uhr in der Veranstaltungsetage der Friedrich-Ebert-Stiftung in Leipzig, Burgstraße 25, statt)
13.3., 13:00 Uhr, Werner Röhr: Hundert Jahre Kriegsschuld­debatte
13.3., 13:00 und 15:00 Uhr, Michael Brie und Elmar Altvater: Linke Klassiker neu entdecken – die hellblauen Bändchen zu Karl Polanyi und Friedrich Engels.
14.3., 12:30 Uhr, Stephan Siemens/Martina Frenzel: Das unternehmerische WIR

Blockupy

18.3. | Frankfurt a.M.
Am 18. März 2015 werden zehntausende Menschen aus ganz Europa bei den internationalen Blockupy-Protesten in Frankfurt a.M. deutlich machen, dass sie ein Ende der von der Troika betriebenen Verarmungspolitik wollen. Eigentlich war eine große Feier zur Eröffnung des neuen EZB-Gebäudes geplant. Doch an der Arbeits- und Obdachlosigkeit, dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems und der Verarmung von Millionen Menschen gibt es nichts zu feiern – also: Let’s take over the party! Über die Aktionen am 18.3. siehe u.a. attac.de

Podemos und die demokratische Revolution in Spanien

27.3. | Hamburg | 19:00-21:30 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2
Ähnlich wie in Griechenland hat auch in Spanien die neoliberale Politik zu einer schweren Krise geführt. Und ebenso rührt sich Widerstand. Die erst 2014 gegründete linke Bürgerbewegung Podemos ist bei Umfragen mittlerweile stärkste Partei. Nach dem Wahlerfolg von Syriza in Griechenland entsteht so auch in Spanien die Chance auf einen politischen Umbruch, in dem die Linke sich nicht auf einen Regierungswechsel oder eine Oppositionsrolle beschränkt, sondern ernsthaft einen grundlegenden gesellschaftlichen Transformationsprozess anstrebt. Vortrag und Diskussion mit Raul Zelik, Schriftsteller und Professor für Politik an der Nationaluniversität Kolumbiens.

Neue Bücher

Catharina Schmalstieg
Prekarität und kollektive Handlungsfähigkeit
Gewerkschaftsarbeit im Niedriglohnsektor
Das Beispiel USA
Eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung
240 Seiten | EUR 16.80
ISBN 978-3-89965-638-1

 

Stephan Krüger
Entwicklung des deutschen Kapitalismus 1950-2013
Beschäftigung, Zyklus, Mehrwert, Profitrate, Kredit, Weltmarkt
140 Seiten | zahlreiche farbige Abbildungen | EUR 12.00
ISBN 978-3-89965-641-1

 

Michael Brie
Polanyi neu entdecken
Das hellblaue Bändchen zu einem möglichen Dialog von Nancy Fraser und Karl Polanyi
176 Seiten | EUR 10.00
ISBN 978-3-89965-642-8

 

 

Walter Baier / Bernhard Müller / Eva Himmelstoss (Hrsg.)
Vereintes Europa
Geteiltes Europa
transform! Jahrbuch 2015
256 Seiten | EUR 22.80
ISBN 978-3-89965-629-9

 

 

Chaja Boebel / Lothar Wentzel (Hrsg.)
Streiken gegen den Krieg
Die Bedeutung der Massenstreiks in der Metallindustrie vom Januar 1918
144 Seiten | 2. durchgesehene Auflage | EUR 10.80
ISBN 978-3-89965-657-2

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