Liebe Leserinnen und Leser,

die derzeitige bunte Laubfärbung steht in einem starken Kontrast zu den aktuellen politischen Verhältnissen in Europa. Zwei Monate liegt Merkels »Wir schaffen das« mittlerweile zurück. Die zur Schau getragene »Willkommenskultur« weicht inzwischen einer europaweit orchestrierten Abschreckungs- und Repressionspolitik gegenüber Flüchtlingen. »Gestalten« wie Horst Seehofer geht das alles nicht weit genug, sie wollen aus der menschlichen Tragödie (politisch) Kapital schlagen. Das gelingt auch der AfD, die sich nach einer Phase der inneren Desorientierung urplötzlich wieder im Aufwind wähnt. Leider gilt das ebenso für den Rechtspopulismus im Allgemeinen, der in immer mehr europäischen Ländern um sich greift und WählerInnenstimmen bindet – zuletzt in der Schweiz und in Polen.

 

Es grüßt, (möglichst) ohne in herbstliche Schwermut zu verfallen,
die Redaktion

Das neue Heft

Mit diesem besorgniserregenden Thema wird auch das neue Heft eröffnet. So bringt die Redaktion den Ruck nach rechts mit einem staatlichen Kontrollverlust in Verbindung, der sich in ganz Europa manifestiert und den rechten Parteien Wahlerfolge beschert. Dass die immer wieder zu hörenden Forderungen nach einer Abschottungspolitik gegenüber Schutzsuchenden nicht nur rechtspopulistisch, sondern auch illusionär sind, belegen Joachim Bischoff und Bernhard Müller. Die Probleme werden auch nicht weniger, wenn der Blick auf die Weltwirtschaft fällt. Wie fragil diese ist, und was China und die Schwellenländer damit zu tun haben, beleuchtet Joachim Bischoff.
Im Forum Gewerkschaften unterziehen sowohl Richard Detje, Otto König und Klaus Pickshaus als auch Johannes Altenfeld den Gewerkschaftstag der IG Metall einer Analyse. Detlef Hensche sieht mit dem Verbot des Pilotenstreiks durch das Hessische Landesarbeitsgericht die Streikfreiheit in Gefahr. Für ein produktives Spannungsverhältnis zwischen Gewerkschaften und sozialen Protestbewegungen plädiert Helmut Martens mit einer Bezugnahme auf die Kämpfe in Südeuropa. Dass mit Blick auf die gewerkschaftliche Bildungsarbeit ein Verständnis der Ökonomie des Gegenwartskapitalismus nicht schaden kann, zeigt Jörg Reitzig mit einer positiv gestimmten Buchbesprechung zu Ralf Krämers »Kapitalismus verstehen«.
Historisch, aber nicht weniger lehrreich für die Gegenwart wird es bei Wilhelm Kriehebauer und Klaus Bullan: Während Ersterer auf das leidvolle Schicksal der Serben im Ersten Weltkrieg aufmerksam macht, zeichnet Klaus Bullan Lucio Magris Geschichte der KPI nach, die für die Linke im 20. Jahrhundert ein »zentraler Referenzpunkt« war. Einer, der die Geschichte der KPI entscheidend geprägt hat, war Antonio Gramsci, der einmal schrieb, dass alle Marxisten seien, »ein wenig, unbewusst«. Aber was heißt es überhaupt, MarxistIn zu sein? Zu dieser Frage ließ sich Christoph Lieber dank des Bandes 8/II des Historisch-Kritischen Wörterbuches inspirieren.
Die in den letzten Heften geführte Kontroverse um »Die sozialistische Zukunft« wird (fruchtbar) fortgesetzt – diesmal meldet sich Gerald Munier mit einer Verteidigung von Klaus Blessing zu Wort. Zum Abschluss des Heftes berichtet Klaus Schneider in seiner Rezension von »Der Marsianer« von einer Reise zum Mars, auf dem es leider auch nicht wirklich friedlicher zugeht als auf der Erde. Und im Supplement setzen Matthias W. Birkwald und Bernd Riexinger der grassierenden Altersarmut eine Solidarische Mindestrente entgegen, die jeden in Würde altern lassen möchte.

Kommentare

Kräftig nach rechts gerückt

Aus der Europäischen Union will Jarosław Kaczyński zwar nicht austreten, allerdings ist ihm Polens geltende liberale Verfassung von 1997 ein Dorn im Auge. Die EU-Mitgliedschaft, die einige Jahre nach der Annahme der Verfassung erfolgt ist, nutzt er als Argument, dass auch die Verfassung geändert werden müsse, weil die Spielregeln seither andere geworden seien. Er will eine Verfassung, mit der das Land sich stärker auf Augenhöhe zu den anderen Großen in der EU begeben kann. Mehr...

HSH-Nordbank: zwei Jahre Umbau als »kleineres Übel«?

Die EU-Kommission hat in dem Verfahren über die Wiederaufstockung der öffentlichen Garantien von 7 auf 10 Mrd. Euro mit den Kapitaleigentürmern Hamburg und Schleswig-Holstein (zusammen 85% des Eigenkapitals) ein Ende des langjährigen Niedergangsprozesses des Geldhauses festgesetzt. Die Bank soll bis Anfang 2016 aufgespalten werden – in eine operative Einheit und als »bad bank« eine Holdinggesellschaft. Die HSH Nordbank wird von der EU-Kommission als nicht lebensfähig eingestuft. Die Wiedererhöhung der Garantien ist eine Abwicklungsbeihilfe. Mehr...

Ideologische Krisensymptome

Die Krise der Grünen in Frankreich verschärft sich. Wegen der gemeinsamen Liste mit den Linksparteien in der Region Nord-Pas-de-Calais und in anderen Gebieten sind mittlerweile die beiden Co-Fraktionsvorsitzenden in der Nationalversammlung sowie der Fraktionsvorsitzende im Senat aus der Partei ausgetreten. Nachdem sie eine eigene Partei gegründet haben, folgen nun offenbar weitere Abgeordnete. Mehr...

Russische Intervention als »Game Changer«

Am 30.9.2015 eskalierte der Syrienkrieg weiter: Nun griff auch noch Russland mit seiner Luftwaffe ein. Die russischen Luftangriffe versetzten den aufkeimenden Hoffnungen auf eine politische Lösung (genährt durch das internationale Atomabkommen mit dem Iran) einen herben Schlag.[1] Das russische Eingreifen ist nichts anderes als ein Beitrag zur militärischen Eskalation. Das Gemetzel geht in die nächste Runde. Mehr...

»Pragmatische Generation im Aufbruch«

Die 17. Shell-Jugendstudie erscheint 2015 in einer Zeit, die geprägt ist von einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland nach der großen Krise. Die Befragung fand zwischen Januar und März 2015 statt. Mehr...

Weitere Kommentare und Kurzanalysen gibt es hier.

Bei anderen entdeckt

Ist die Welt bald pleite?

Stephan Kaufmann und Ingo Stützle debattieren auf Telepolis über schwäbische Hausfrauen und die Staatsverschuldung. 

Folgen der Deindustrialisierung

Sebastian Chwala geht in der jungen welt der Frage auf den Grund, warum französische ArbeiterInnen ihre Stimme dem Front National geben.

Termine

Privatisierungen in Griechenland

2. November | Berlin | 19:00 Uhr | Rosa-Luxemburg-Stiftung, Franz-Mehring-Platz 1

Öffentliches Eigentum im Wert von 50 Mrd. Euro soll der griechische Staat privatisieren und davon sollen 25 Mrd. in die Bedienung von Schulden gehen. Die Folgen diskutieren Anastasia Frantzeskaki (Vorstandsmitglied der Hafenarbeiter_innengewerkschaft von Piräus), Kostas Genidounias (Vorsitzender der Eisenbahngewerkschaft POS), Flora Papadede (Exekutivkomitee der Gewerkschaft der Elektrizitätsmitarbeiter_innen GENOP DEI). Moderation: Alexis Passadakis.

Vermessung der Utopie

4. November | Schwerin | 19:00 Uhr | Schleswig-Holstein-Haus, Puschkinstr. 12

Klimawandel, Massenarmut, Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und Verelendung auch in Europa, Kriege und Konflikte um Rohstoffquellen und Einflusszonen – das vom »freien Markt« produzierte Elend und seine Begleiterscheinungen verlangen nach einer grundlegenden Alternative. Doch ist eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus überhaupt noch vorstellbar? Ein Gespräch mit Elmar Altvater über den Kapitalismus und die kommende Gesellschaft.

Kapital im 21. Jahrhundert

7. November | Düsseldorf | 11:00 Uhr | Jugendherberge, Düsseldorfer Str. 1a

»Der Rockstar unter den Ökonomen« – selten hat ein Wirtschaftsbuch so viel Aufsehen erregt wie das im vergangenen Jahr erschienene »Das Kapital im 21. Jahrhundert« von Thomas Piketty. Selbst die »wirtschaftswoche« urteilt, Piketty habe das liberale Dogma vom Segen des Marktes erschüttert. Das Seminar wird eröffnet mit einem Vortrag von Joachim Bischoff, weitere Beiträge kommen von Thomas Eberhard-Köster und Uwe Foullong. In Arbeitsgruppen und im Plenum gibt es Gelegenheit, die Schlussfolgerungen Pikettys kritisch zu prüfen und ihre Auswirkungen auf Deutschland zu diskutieren. Lektüreempfehlung: Aufsatz »Kapitaleinkommen und Einkommensungleichheit in Deutschland« (Online-Broschüre www.boeckler.de/pdf/Piketty_Verteilungsfrage.pdf) und Joachim Bischoff/Bernhard Müller: Piketty kurz & kritisch. Eine Flugschrift zum Kapitalismus im 21. Jahrhundert (VSA: Verlag). Anmeldung bis zum 2.11.2015 an duesseldorf@attac.de oder an post@rls-nrw.de

Debatten um Arbeitszeit

8. November | Berlin | 11:00 Uhr | Rosa-Luxemburg-Stiftung, Franz-Mehring-Platz 1

Workshop der Initiative »Arbeitszeitverkürzung jetzt!« über die jüngsten Debatten zur Arbeitzeit sowie die arbeitszeitpolitischen Aspekte der Gewerkschaftstage von ver.di und IG Metall. U.a. mit Ingrid Kurz-Scherf.

Transformation? In Europa?

9. sowie 16. und 23. November | Hamburg | 18:30 Uhr | Universität, Von-Melle-Park 6

Am 9.11. stehen SYRIZA und die Debatte um Alternativen in der griechischen Linken im Zentrum der Ausführungen von Thomas Sablowski, Mitarbeiter des Instituts für Gesellschaftsanalyse (IfG) der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Am 16.11. geht Tom Strohschneider, Chefredakteur des neuen deutschland, der Frage nach, ob der Austritt aus Euro-Zone und EU Voraussetzung für linke Veränderungen ist. Am 23.11. untersucht Mario Candeias, Direktor des IfG, Basisbewegungen, Podemos und Vereinigte Linke in Spanien.

Was ist los in Syrien, Afghanistan, Irak?

9. November | München | 19:00 Uhr | RLS-Regionalbüro, Westendstr. 19

Gaddafi wurde ermordet, Libyen liegt im Chaos und der Jemen versinkt gerade darin. In Ägypten haben es die Militärs geschafft, den säkularen Staat zu retten, aber um den Preis eines diktatorischen Regimes. Der Krieg in Syrien setzt sich fort, Millionen Menschen fliehen. Auswege analysiert Erhard Crome, Institut für Gesellschaftsanalyse der RLS.

Gedenktafel für Ilse Stöbe

12. November | Berlin-Lichtenberg | 10:00 Uhr | Frankfurter Allee 233

Gedenkveranstaltung für die im Auswärtigen Amt für den kommunistischen Widerstand tätige Ilse Stöbe (1911-1942). Seit 1932 lebte sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder, die ebenfalls von den Nazis ermordet wurden, in der Frankfurter Allee. Nun wird in Erinnerung an die drei eine Gedenkstele eingeweiht. U.a. mit Kerstin Beurich, Bezirksstadträtin, und Hans Coppi, Mitautor des soeben in 2. Auflage erschienenen VSA: Buches Ilse Stöbe: Wieder im Amt.

Zerfall der EU oder demokratische Reorganisation von links

12. bis 14. November | Berlin | Rosa-Luxemburg-Stiftung, Franz-Mehring-Platz 1

Leitfrage der zweiten Demokratie-Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist, ob die Perspektiven einer möglichen Demokratisierung in der EU durch die Entwicklungen der vergangenen Monate völlig verstellt wurden und welche Handlungsperspektiven bestehen. Programm: www.rosalux.de

Johannes Schillo: Zurück zum Original

14. November | Köln | 14:00 Uhr | Bürgerzentrum Alte Feuerwache, Melchiorstr. 3

Die Marxsche Theorie stößt wieder auf Interesse. In der Öffentlichkeit wird darüber diskutiert, ob nicht an den Erklärungen, die der alte Rheinländer zur »sozialen Frage« beigesteuert hat, etwas dran ist. Ende 2015 ist dazu der Sammelband von Johannes Schillo Zurück zum Original – Zur Aktualität der Marxschen Theorie erschienen. Herausgeber und Autoren stellen das Buch mit seiner Grundaussage vor und zur Diskussion: Das Gewinninteresse, das auf dem Gegensatz von Kapital und Arbeit basiert, ist der staatlicherseits gültig gemachte Gehalt des vielbeschworenen Gemeinwohls. Nähere Informationen unter: www.i-v-a.net

Die europäische Linke und Griechenland

17. November | Köln | 19:30 Uhr | Salon & Galerie Freiraum, Gottesweg 116a

Nach der zähneknirschenden Akzeptanz des dritten Memorandums in Griechenland bleibt die Frage, wie es weiter geht – auch mit der EU. Vortrag und Diskussion mit Steffen Lehndorff.

Sozialökologischer Umbau

18. November | Hildesheim | 18:30 Uhr | VHS, Pfaffenstieg 4-5

Werden wir rechtzeitig unsere Wirtschafts- und Konsumweise so verändern, dass die kommenden Generationen noch eine Chance haben, ihr Leben menschenwürdig zu gestalten? Franz Groll stellt eine zukunftsfähige Alternative zu unserer heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung dar. Er ist Autor des VSA: Buches Der Weg zur zukunftsfähigen Gesellschaft.

Neue Bücher

Joachim Bischoff / Björn Radke
»Isch over«? Griechenland und die Eurozone

Syrizas Kampf gegen die neoliberale Hegemonie
Eine Flugschrift
156 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-89965-685-5

 

Sarah Bormann / Jenny Jungehülsing / Shuwen Bian / Martina Hartung / Florian Schubert (Hrsg.)
Last Call for Solidarity
Perspektiven grenzüberschreitenden Handelns von Gewerkschaften
224 Seiten | 2015 | EUR 19.80
ISBN 978-3-89965-630-5

 

Leo Panitch / Greg Albo (Hrsg.)
The Politics of the Right

Socialist Register 2016
320 Seiten | EUR 24.80
ISBN 978-3-89965-987-0

 

Beate Schreiber, Hans-Christian Bresgott, Daniel König und Constanze Seifert
VOM VORLESER ZUM MINDESTLOHN

Die Geschichte der NGG 1865 bis 2015
Herausgegeben vom Hauptvorstand der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
208 Seiten | Großformat | zahlreiche farbige Fotos | Halbleinenband mit eingelegter DVD | EUR 19.80
ISBN 978-3-89965-668-8

 

Karl Georg Zinn
Vom Kapitalismus ohne Wachstum zur Marktwirtschaft ohne Kapitalismus
160 Seiten | EUR 16.80
ISBN 978-3-89965-651-0

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